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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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und leerte den Aschenbecher auf der Toilette, ehe sie ihre Sekretärin rief.
    »Ich möchte, dass Sie einen Bericht an Hauptkommissar Stenberg in Christiansholm schreiben«, sagte sie ein wenig zerstreut.
    308

    25
    Am selben Vormittag
    PM war im Atelier. Die Sonne hatte gerade ihren Zenit überschritten. Die Lichtverhältnisse waren perfekt, und er arbeitete mit höchster Konzentration. Das helle Licht verlieh der feuchten Leinwand eine lebendige, nahezu bewegliche Oberfläche, um schon im nächsten Moment eine atemberaubende Tiefe zu offenbaren.
    Er war ausnahmsweise frühzeitig aus den Federn gekommen und sah mehreren Stunden ungestörten Arbeitens entgegen. Es war einer dieser gesegneten Tage, an denen eine sprudelnde Arbeitsfreude mit nahezu unbegrenzter Zeit einherging.
    Langsam und präzise gab er dem einen Antlitz des Bildes eine feine, dunkle Kontur. Nachdem er die lange, geschwungene Linie beendet hatte, trat er sofort einen Schritt zurück, um das Ergebnis zu begutachten. Während er den Pinsel reinigte und an einem Lappen abwischte, brach er die Stille, indem er ein paar Takte aus der Cavatine des Herzogs aus dem Rigoletto pfiff.
    Lady Pamela streckte sich wohlig auf dem Diwan. Als PM zu pfeifen begann, hob sie den Kopf in seine Richtung und öffnete ein Auge; nicht aus Verwunderung, denn PM pfiff oft, sondern um sich wohlgefällig zu vergewissern, dass er auch wirklich da war. Eine summende Fliege hielt sorgsam Abstand von der feuchten Leinwand, deren Berührung ihr sicheres Ende gewesen wäre. Sie umschwirrte Lady Pamela und vervollständigte den Eindruck eines idyllischen, friedvollen Sommertags.
    PM hatte zu pfeifen aufgehört und setzte mit angehaltenem Atem einige perfekte Lichtreflexe in ein Auge. Während er nachdenklich den Effekt prüfte, hörte er plötzlich einen Automotor verstummen und ein paar Türen schlagen. Lady 309

    Pamela setzte sich auf und lauschte. PM hob die Brauen und fluchte leise. Er legte den Pinsel hin und trocknete sich die Hände. Mit ärgerliche Miene eilte er zur Haustür, um alle Versuche, seine Arbeitsruhe zu stören, im Keim zu ersticken.
    Doch als er die Tür öffnete, bot sich ihm ein ungewöhnlicher, wenn nicht unwirklicher Anblick. Vor dem knospenden Flieder, den zarten Akeleien und Herzblumen stand ein Polizeiauto. Ein richtiger Streifenwagen in Blau und Weiß, dessen unübersehbarer Schriftzug keinen Lesekundigen im Zweifel lassen konnte. Auf der Eingangstreppe bauten sich zwei hoch gewachsene Beamte vor ihm auf.
    »Wir suchen Patrik Andersson«, sagte der eine. »Sind Sie das?«
    Er nickte stumm.
    »Dann müssen wir Sie bitten, uns zu begleiten.«
    PM blickte ungläubig vom Streifenwagen zu den beiden unbeweglichen Gesichtern, die aus den Uniformen herausschauten, doch ihre Mienen ließen keine weiteren Aufschlüsse zu.
    »Soll das ein Scherz sein?«, fragte er.
    Die beiden Polizisten tauschten einen raschen Blick, dann sprach ihr Wortführer den Satz aus, der jeden Gedanken an einen Scherz zunichte machte.
    »Wir haben den Auftrag, Sie festzunehmen, weil Sie des Mordes an Marianne Wester verdächtigt werden.«
    Er hörte die seltsamen Worte, schien sie aber nicht zu verstehen.
    »Was?«, war das Einzige, das er hervorbrachte.
    »Sie sollen verhört werden«, fügte der andere hinzu, der offenbar auch sprechen konnte.
    Er hatte das Gefühl, jemand ziehe ihm den Boden unter den Füßen weg. Er musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht 310

    das Gleichgewicht zu verlieren. Sein Hinterkopf schien zu brennen, während es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. Sein Mund verkrampfte sich, und er nahm an, dass aus seinen Lippen das Blut wich. Das konnte nicht wahr sein, schoss es ihm durch den Kopf. So etwas passierte einfach nicht. Entweder handelte es sich um ein furchtbares Missverständnis, oder er sah sich zwei entlaufenen Psychopathen gegenüber, die in Polizeiuniformen geschlüpft waren.
    »Können Sie sich ausweisen?«, presste er hervor.
    Sie zeigten ihm ihre Ausweise. Er deutete kraftlos in Richtung Haus.
    »Ich muss Hauptkommissar Stenberg anrufen.«
    Die beiden Uniformierten, die wohl argwöhnten, er könne Schwierigkeiten machen, wechselten wie auf Verabredung ihren Gesichtsausdruck. Ihre unpersönliche Höflichkeit wich einer verbissenen Entschlossenheit.
    »Das ist nicht nötig. Mit Stenberg können Sie auf dem Präsidium sprechen. Er erwartet Sie.«
    Eine Weile starrte er sie ungläubig an, ehe er ausrief: »Weiß er denn, dass Sie … dass Sie mich

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