Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
Vom Netzwerk:
gesagt?«
    »Sie findet es schade, dass Sie Sven Berg nicht zwei seiner Irischen Wolfshunde abgekauft haben, wie Sie eigentlich vorhatten.«
    Er runzelte die Stirn, als denke er angestrengt nach.
    »Ach ja, die Wolfshunde … Sehen Sie, die hatte ich auch schon vergessen. Ich habe mich schließlich anders entschieden.«
    Er deutete in Richtung Haus. »Übrigens esse ich gerade zu Mittag. Was halten Sie davon, unser Gespräch in meiner Küche fortzusetzen?«
    Katharina zögerte. Gab es denn noch mehr zu besprechen? Sie wusste nicht, was. Patrik wunderte sich bestimmt schon, dass sie so lange fortblieb. Auf der anderen Seite hatte man nicht alle Tage Gelegenheit, einen Agenten im Ruhestand aus nächster Nähe zu betrachten.
    »Und der Hund?«, fragte sie.
    »Den habe ich ins Schlafzimmer gesperrt.«
    »Das hört sich beruhigend an.«
    Er trat höflich einen Schritt zu Seite, und da sie das Haus von früher her gut kannte, ging sie ihm in die Küche voraus.
    415

    Sie sah sich prüfend um und bemerkte sogleich, dass sie ihn keinesfalls beim Mittagessen gestört hatte. In der Spüle türmte sich schmutziges Geschirr, doch von etwas Essbarem war nichts zu sehen. Der Hund, der sie offenbar gehört hatte, kratzte wie wild an der Tür.
    Nygren öffnete einen Schrank und nahm eine Flasche und zwei Gläser heraus.
    »Darf ich Sie zu dieser Uhrzeit zu einem Kognak einladen?«, fragte er.
    »Ich dachte, Sie wären beim Mittagessen.«
    »Das kann warten«, sagte er gleichmütig.
    »Lieber keinen Kognak für mich«, sagte sie. »Ich muss noch fahren.«
    »Ach, natürlich, das Auto.«
    Er schenkte sich selbst ein Glas ein und fixierte sie mit unverhohlenem Interesse. Katharina schwante, dass er zu der unangenehmen Sorte Männer gehörte. Das hätte sie sich denken können.
    »Es geht mich zwar nichts an«, sagte sie, »aber sollte sich nicht jemand um die Schweine kümmern?«
    Sein Lächeln war ironisch. »Halten Sie mich wirklich für so dämlich?«, sagte er. »Natürlich habe ich bemerkt, dass Nisse heute Morgen nicht gekommen ist, und habe mit dem Sohn von Kalle Svanberg – wie heißt er noch gleich? – eine Verabredung getroffen.«
    »Er heißt Rickard.«
    »Genau, Rickard. Er war vorhin schon da und hat die Schweine gefüttert.«
    »Wie schön für Sie«, sagte sie und fühlte sich an der Nase herumgeführt.
    »Hier ist es zu unbequem«, sagte er. »Wollen wir nicht lieber ins Wohnzimmer gehen?«
    416

    Warum nicht, dachte sie und war gespannt, wie sich die anderen Räume verändert hatten. Entweder wollte er ihr weitere Informationen entlocken oder er wollte sich an sie heranmachen.
    Doch sie fühlte sich beiden Möglichkeiten gewachsen.
    Das Wohnzimmer ging im Gegensatz zur Küche nach Süden hinaus, und der Kontrast hätte nicht größer sein können. Die Sonne flutete ungehindert durch die hohen, gardinenlosen Fenster und hatte das Zimmer enorm aufgeheizt.
    Neugierig schaute sie sich um. Der Raum war ihr wohl bekannt. Vor vielen Jahren war hier ein geschmackvoll eingerichtetes Esszimmer gewesen. Nun bestand die Einrichtung nur mehr aus einem Sofa, zwei Sesseln, einem Couchtisch und einem Fernseher. An den Stellen, an denen früher die Bilder hingen, waren immer noch weiße Flächen zu erkennen.
    »Hier habe ich oft zu Abend gegessen«, sagte sie.
    »Ach, wirklich?«
    »Dem Onkel meines Mannes, Anders Hammar, hat dieser Hof lange gehört. Er hat ihn Mitte der achtziger Jahre verkauft. Er und seine Frau waren sehr gesellige Menschen.«
    »Und danach kam ein Besitzer nach dem anderen?«
    »Ja, so ungefähr.«
    Sie setzte sich in einen der Sessel und überließ sich für einen Moment der Erinnerung. Dieser Raum würde für sie auf ewig mit fröhlichem Stimmengewirr, lautem Gelächter und lärmenden Kindern verbunden sein. Die großen Familienabende auf Knigarp, deren Rituale Patrik und sie teils ermüdend empfunden hatten, waren von Marika umso mehr geliebt worden. Anders und Lilly hatten sich immer gern mit Kindern umgeben. Beim Blick auf die jetzige Einrichtung wurde ihr bewusst, dass Knigarps goldene Jahre unwiderruflich ihrem Ende entgegengingen.
    417

    »Zu Zeiten von Anders Hammar war dies ein mustergültig geführter Hof.« Ihre Stimme klang beinahe vorwurfsvoll.
    Nygren antwortete nicht. Er stand vor einem der Fenster und beobachtete sie aufmerksam. Der Anflug von Liebenswürdigkeit war wie weggeblasen.
    »Tragen Sie sich denn mit dem Gedanken, einen neuen Vorarbeiter anzustellen?«, brachte sie nervös

Weitere Kostenlose Bücher