Der leiseste Verdacht
auf und sah sich aufmerksam um.
»Endlich kann man wieder durchatmen«, sagte er, jetzt schon entspannter. »Diesen Anblick habe ich vermisst, seit ich Montagabend in den Zug gestiegen bin. Saftige Wiesen, knospende Bäume und ein weiter, blauer Himmel. Keine Ampeln, keine Tankstellen, keine Reklameschilder … Fahr mich einfach zu unserem bescheidenen Zuhause am Ende der Welt. Lass mich an meinem eigenen Herd sitzen und gib mir ein großes Glas von meinem besten Whisky. Wenn du dann noch versprichst, den Fernseher aus zu lassen, gibst du mir den Glauben an die Welt zurück.«
»Natürlich fahre ich dich nach Hause, aber es ist schon ein starkes Stück, dass ausgerechnet du mich bittest, den Fernseher aus zu lassen.«
»Stimmt, wenn es einen Dauerglotzer bei uns gibt, dann bin ich das.«
Schweigend setzten sie ihren Weg durch die helle Frühlingslandschaft fort. Schließlich drehte PM den Kopf und betrachtete Katharinas Profil.
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»Jetzt bin ich wieder schrecklich egozentrisch gewesen, nicht wahr?«, sagte er.
»Ja, das bist du.«
»Gibst du mir noch eine neue Chance?«
»Ja.«
»Wie ist es dir ergangen, während ich fort war, mein Liebling?«
»Och, ich hatte es eigentlich ganz ruhig und gemütlich.«
»Höre ich da einen betrübten Unterton?«
Katharina lachte. »Es hört sich zwar merkwürdig an, aber irgendwie bin ich doch froh, dich wieder am Hals zu haben.«
»Ist irgendwas Erwähnenswertes passiert?«
»Marika hat gestern angerufen. Sie und Daniel kommen am Wochenende nach Hause.«
»Wie schön.«
Katharina warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Du hast doch nicht vergessen, dass Kajsa, Olle und Joakim zur Walpurgisnacht zu uns kommen?«
PM griff sich seufzend an den Kopf. »Doch, das hatte ich vergessen. Ich nehme an, daran lässt sich nichts mehr ändern?«
»Wenn du unbedingt willst, sage ich ihnen ab. Aber ich würde sie sehr gern sehen.«
»Gut, vergiss, was ich gesagt habe. Ich bin heute nicht zurechnungsfähig. Nachdem ich ausgeschlafen habe, wird es mir schon viel besser gehen. Natürlich möchte ich sie auch gern sehen.«
»Sicher?«
»Sicher!«
Eine Weile sah er sie schweigend an. Danach legte er vorsichtig seine Hand auf ihre, die das Steuer umfasste. Er drückte sie leicht. Dann blickte er wieder starr vor sich hin und 58
fühlte eine beklemmende Selbstverachtung. Er unternahm einen ernsthaften Versuch, sich zusammenzureißen, und sagte eine Spur zu munter: »Irgendwas Neues von der Jaucheleiche?«
Katharina sah etwas erstaunt aus, ging aber auf seinen Ton ein:
»Kann schon sein. Ich habe gestern Besuch von einem alten Verehrer gehabt.«
»Ach, wirklich. Hat er sich an dich rangemacht?«
»Nicht körperlich.«
»Ah, wahrscheinlich der Pfarrer der Freikirche in Äsperöd.«
»Nein, ein Schweinehirte.«
»Ein Schweinehirte, der einen platonischen Annäherungsversuch wagt, wie interessant.«
»Ich habe mit ihm Kaffee und ein paar Gläser Schnaps getrunken, Gammeldansk , versteht sich. Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft für dieses Getränk.«
»Nisse!«, verkündete PM triumphierend.
»Genau.«
Er runzelte die Brauen und sagte mit gespieltem Zorn: »Ich werde diesem Casanova die Hammelbeine lang ziehen, wenn er meint, er könnte meiner Frau nachstellen und ihren Gammeldansk austrinken, wenn ich nicht zu Hause bin. Setz mich am Schweinestall ab, wenn wir da sind, damit ich ihm eine Tracht Prügel verpassen kann.«
»Kommt nicht in Frage. Nisse ist ein faszinierender alter Mann, wenn man seinen Gestank außer Acht lässt. Wir hatten eine äußerst anregende Konversation.«
»Ich dachte, man kann mit ihm über nichts anderes reden als über die Niedertracht des Menschen.«
»Nun, er hat mir wirklich sein Herz geöffnet und mir das eine und das andere erzählt.«
»Was zum Beispiel?«
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»Zum einen meint er zu wissen, wer die Leiche in der Jauchegrube war. Das hat er übrigens auch der Polizei erklärt.
Und jetzt ist er stinksauer, weil sie ihn offenbar nicht ernst genommen haben.«
»Und wer war es seiner Meinung nach?«
»Kannst du dich noch an den Polen erinnern, der zu Sandströms Zeit schwarz auf dem Hof gearbeitet hat?«
»Wen meinst du? Polen gab es so viele.«
»Ich meine den, der letzten Sommer hier war. Netter Kerl.
Sprach ziemlich gut Schwedisch. War so zwischen dreißig und vierzig Jahre alt.«
»Ach, du meinst den, der auch als Taxifahrer in Malmö gearbeitet hat.«
»Genau den meine ich. Nisse ist sich sicher, dass er in der
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