Der leiseste Verdacht
zeigte sich auch auf PMs Gesicht der Anflug eines Lächelns, mochte es auch ironisch gemeint sein. Neugierig musterte er den Polizisten.
»Sie geben wirklich nicht auf«, sagte er anerkennend. »Ist das Veranlagung oder gibt es Kurse für so was? ›Machen Sie die Mordermittlungen zu einem positiven Erlebnis für sich und die Verdächtigen‹ oder so ähnlich.«
Wagnhärad lachte. »Nein, aber so ein Kurs wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee.«
Patrik der Maler gähnte und kratzte sich den Bart.
»Also schön, aber zuerst brauche ich einen Kaffee. Wollen Sie auch einen? Und ein paar Brote sollten wir auch essen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er Kaffeewasser auf und warf einen prüfenden Blick in den Kühlschrank. Wagnhärad stellte das Tonbandgerät auf einen Stuhl, während Bergh hilfsbereit Kaffeetassen, Brot und Käse zum Esstisch trug. Der Maler schien sich mit dem Gedanken angefreundet zu haben, gemeinsam mit zwei Polizisten zu frühstücken, und gab Bergh kurze, aber freundliche Anweisungen, was das Decken des Tisches betraf.
Nachdem der Kaffee eingeschenkt und die Brote geschmiert waren, sagte Wagnhärad: »Okay, sollen wir anfangen?«
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Der Maler zuckte die Achseln und nickte dem Tonbandgerät zu, das jetzt auf dem Tisch stand.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, dass ich esse, während ich rede.«
»Sie machen das schon.«
Wagnhärad schaltete das Tonband ein und sagte: »Verhör mit Patrik Andersson, Donnerstag, vierter Mai, sein Verhältnis zu Axel Hemberg und Marianne Wester betreffend. Zuerst Axel Hemberg. Worum ging es bei dem Streit, den Sie mit ihm hatten?«
Der andere warf einen prüfenden Blick auf das Tonbandgerät.
»Wollen Sie die ausführliche Version?«
»Je ausführlicher, desto besser.«
Er nahm einen Schluck Kaffee und dachte nach.
»Das erste Mal bin ich Axel auf der Schule in Christiansholm begegnet, das war Anfang der sechziger Jahre. Wir gingen in dieselbe Klasse. Ich mochte ihn nicht, und mit dieser Einschätzung war ich weiß Gott nicht allein. Axel war ziemlich unbeliebt bei den Mitschülern, jedenfalls am Anfang …«
Er zögerte, als wisse er nicht, wie er fortfahren solle.
»Ja?«
»Was mich und viele andere irritierte, war, dass er sich für etwas ganz Besonderes hielt. Er war ein arroganter Fatzke, aber das hielt nicht lange an. Nachdem er sich gründlich lächerlich gemacht hatte, wurde es besser. Eigentlich konnte er einem Leid tun. Seine Mutter hatte ihm all die Flausen in den Kopf gesetzt.
Axel war das einzige Kind eines wohlhabenden Fabrikbesitzers.
Es war eine Farbenfabrik, für Wandfarben und Ähnliches. Der Vater war eine Art Bonze, aber seine Mutter war noch schlimmer. Sie spielte sich als First Lady von Christiansholm auf. Korpulent und hochmütig, so habe ich Axel in Erinnerung.«
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»Sie hatten also während der Schulzeit keinen engeren Kontakt miteinander?«
»So kann man das nicht sagen. Wir sind immerhin vier Jahre in dieselbe Klasse gegangen und haben einiges zusammen erlebt. Mit der Zeit wurde er etwas erträglicher, oder vielleicht sind wir auch offener auf ihn zugegangen, schwer zu sagen. Eng befreundet waren wir jedenfalls nie, obwohl wir derselben Clique angehörten. Sein Verhalten hat mich oft auf die Palme gebracht, aber im Lauf der Jahre hat sich eine gewisse Loyalität entwickelt. Ein paarmal war ich bei ihm zu Hause. Er hatte immer unbegrenzt Taschengeld und konnte sich alle Platten kaufen, die er nur wollte. Ab und zu habe ich mir einen Stapel von ihm ausgeliehen. Aber die Eigenschaft, die ich bei keinem anderen Menschen je so ausgeprägt kennen gelernt habe wie bei ihm, war sein Schwanken zwischen extremer Intelligenz und großer Dummheit. Sie hat mich jedes Mal aufs Neue verblüfft.
Hatte man gerade erst festgestellt, dass er ein grenzenloser Idiot war, dann bewies er im nächsten Moment seinen Scharfsinn und seine schnelle Auffassungsgabe. Die meisten Menschen befinden sich doch irgendwo in der Mitte und halten sich in der Regel für klüger, als sie wirklich sind. Aber Axel war nie in der Mitte, sondern abwechselnd strohdumm oder brillant, und ich habe mich stets schwer getan mit ihm. Er machte ein glänzendes Abitur, was nicht verwunderlich ist, denn die Schule ist nun mal für intelligente Schwachköpfe gemacht. Nach der Schule habe ich zunächst den Kontakt zu ihm verloren.«
»Wann sind sie sich wieder begegnet?«
»Erst Jahre später, in Stockholm, Anfang der siebziger Jahre.
Ich besuchte die
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