Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
Vom Netzwerk:
machte große Augen. »Wir reden sehr oft miteinander.
    Vielleicht nicht jeden Tag, jedoch immer, wenn wir uns sehen.
    Er benutzt den Briefkasten, der hier bei uns angebracht ist. Ich mag ihn. Er ist ein netter Kerl. Manchmal machen wir uns ein bisschen über Nisse lustig, Sie wissen schon, den alten Mann, der meistens schlecht gelaunt ist und Angst vor Frauen hat.«
    »Was wissen Sie von Herrn Andersson?«
    »Dass er ein Künstler ist. Er malt große Bilder. Ich habe sie einmal gesehen. Sie haben mir gut gefallen. Er malt in der Nacht, deswegen muss er tagsüber schlafen.« Er lachte amüsiert.
    »Andersson mag es nicht, wenn ich vor zwölf Uhr mittags mit dem Traktor an seinem Haus vorbeifahre. Seine Frau ist sehr hübsch. Hat ja auch italienisches Blut in den Adern. Sie ist, wie sagt man doch gleich … eine Vollblutfrau.« In Fermis Augen trat ein lüsterner Glanz. Beinahe hätte er sich die Mundwinkel geleckt.
    157

    »Kennen Sie die Menschen, mit denen die Anderssons Umgang haben?«
    Fermi dachte eine Weile nach, ehe er den Kopf schüttelte.
    »Seinen Freunden bin ich nie begegnet. Natürlich sehe ich manchmal, wenn sie Besuch bekommen. Alle müssen ja schließlich an dem Verwaltungsgebäude vorbei, um zu ihrem Haus zu gelangen.«
    »Sie haben nichts bemerkt, das Ihnen besonders auffällig oder sonderbar vorkam?«
    »Nein.«
    »Können Sie mir etwas zu Axel Hemberg sagen?«
    »Wer ist das?«
    »Möglicherweise der Mann, den wir aus der Jauchegrube gezogen haben.«
    Fermi pfiff durch die Zähne. »Und Sie glauben, Patrik der Maler könnte ihn dort hineingeworfen haben?«
    Wagnhärad schüttelte den Kopf. »Für konkrete Vermutungen ist es noch zu früh, aber er kannte Axel Hemberg, der als Leiche in Betracht kommt. Eine letzte Frage: Ist Ihnen eine Frau namens Marianne Wester bekannt?«
    Marco Fermis Augen weiteten sich für einen Moment. Dann senkte er den Blick. Die Frage schien ihm nahe zu gehen.
    »Wenn sie behauptet, dass sie mich kennt, ist das vielleicht richtig«, sagte er kleinlaut. »Ich habe viele Frauen kennen gelernt; kann schon sein, dass einige Marianne hießen. Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. Wie eine Frau aussieht oder küsst, das vergesse ich nie, nur mit den Namen habe ich ein Problem.«
    Wagnhärad hatte Mühe, sein Lachen durch einen gespielten Hustenanfall zu verbergen, vor allem als er sah, wie sich Bergh mit todernster Miene weiter seinen Notizen widmete.
    158

    »Nein, sie hat nichts dergleichen behauptet«, sagte er. »Aber sie war es, die uns den Tipp gegeben hat, dass die Leiche ein gewisser Axel Hemberg sein könnte.«
    Fermi blieb der Mund offen stehen, als sei diese letzte Information eine Sensation.
    »Warum glaubt sie das?«, rief er aus. »Haben Sie sie das gefragt?«
    »Nein, sie hatte der Polizei einen Brief geschrieben.
    Bedauerlicherweise wurde sie an demselben Tag ermordet, an dem uns ihr Brief erreichte.«
    »Ermordet?«, schrie Fermi beinahe.
    Jetzt machte Wagnhärad ein erstauntes Gesicht. »Kennen Sie sie doch?«
    Fermi reckte hilflos die Hände.
    »Ich habe noch nie etwas von ihr gehört«, sagte er. »Aber ich werde so … so ungeheuer wütend, wenn ich höre, dass eine Frau ermordet wurde.«
    Wagnhärad fand Fermis Reaktion etwas befremdlich.
    »Nun ja, wenn ein Mann ermordet wird, ist das ja streng genommen genauso schlimm …«
    »Nein!«, entgegnete Fermi mit Nachdruck. »Männer können sich verteidigen, während Frauen schwach sind. Sie müssen geschützt werden.«
    »So kann man das natürlich auch sehen«, sagte Wagnhärad und schaute zu Bergh hinüber, der Fermi sprachlos anstarrte, anstatt seine Aufzeichnungen fortzusetzen.
    »Diese Frau, wo hat sie gewohnt? Hier in Christiansholm?«, wollte Fermi wissen.
    »Nein, sie wohnte in Stockholm.«
    »Ach so, in Stockholm«, sagte Fermi gleichgültig, als habe er damit all sein Interesse an der Angelegenheit verloren. Doch 159

    plötzlich erstarrte er und fixierte Wagnhärad mit brennendem Blick. Er deutete mit dem Daumen in Richtung des Nachbarhofes und senkte die Stimme: »Kannte Herr Andersson diese Frau?«
    »Ja.«
    »Hat er es getan?«
    Wagnhärad, der das Gefühl hatte, dass eine größere Diskretion angebracht sei, schüttelte den Kopf und antwortete diplomatisch:
    »Ich ermittle nur im Fall der Leiche, die in der Jauchegrube lag. Über den Mord in Stockholm weiß ich so gut wie nichts. Es ist nicht gesagt, dass diese beiden Fälle etwas miteinander zu tun haben. Außerdem lebt Andersson

Weitere Kostenlose Bücher