Der leiseste Verdacht
Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns immer alles erzählt.«
Die Kommissarin beobachtete, wie sich Gisela Nordh ihre dritte Zigarette anzündete.
»Wir kennen leider nicht den genauen Inhalt des Briefes, den Patrik an Marianne geschrieben hat«, sagte sie. »Können Sie sich an den ungefähren Wortlaut erinnern?«
»Ah, nein, das ist zu lange her. Ich habe den Brief nur einmal gelesen. Sein Ton war sehr … schroff.«
»Hat er ihr gedroht?«
»Nein, überhaupt nicht. Aber der abweisende Ton hat Marianne sehr verletzt.«
»War sie in ihn verliebt?«
305
»Ja, so was in der Art. Ich konnte es nicht fassen. Sie gehörte eigentlich nicht zu den Menschen, die sich schnell beeindrucken lassen. Patrik muss irgendwas an sich gehabt haben … Ich weiß nicht, was.«
Gudrun Skog öffnete eine Schreibtischschublade und nahm eine Klarsichthülle heraus, in der drei kleine Fotos lagen. Sie stammten aus einem Fotoautomaten und hingen immer noch zusammen. Ursprünglich waren es vier gewesen, doch das oberste Foto war abgeschnitten worden. Sie gab Gisela Nordh die Klarsichthülle in die Hand und fragte: »Wer ist die Person auf diesen Fotos?«
Sie studierte aufmerksam die Mimik der vor ihr sitzenden Frau, deren Veränderung nicht zu übersehen war. Die Angst stand Gisela Nordh ins Gesicht geschrieben, die Kommissarin hätte schwören können, dass sie erbleichte.
»Ich kenne diesen Mann nicht«, sagte sie hastig und legte die Hülle auf den Schreibtisch.
»Sie werden doch wohl Marco Fermi wieder erkennen?«, sagte die Kommissarin.
Gisela Nordh schüttelte den Kopf und starrte auf den Boden.
»Ich kenne diesen Mann nicht«, wiederholte sie und wirkte mit einem Mal verstockt.
»0 doch, ich glaube, Sie kennen ihn. Ihre Reaktion war sehr heftig.«
»Das war, weil … Marianne mit auf den Bildern ist. Ich habe kein Foto von ihr gesehen, seit sie gestorben ist.«
»Wenn es wahr ist, dass Sie sich immer alles erzählt haben, dann sollten Sie auch über Marco Fermi Bescheid wissen.
Marianne sieht auf den Fotos doch sehr verliebt aus.«
Als Entgegnung bekam sie nur ein Achselzucken.
»Tja, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als Marco Fermi zu fragen, was er über Sie und Marianne zu erzählen hat.«
306
Gisela Nordh zuckte zusammen und blickte auf. »Ich will nicht ermordet werden.«
»Glauben Sie, dass Fermi Marianne ermordet hat?«
»Ich weiß nicht, wer Marianne ermordet hat, und je weniger ich weiß, desto besser für mich.«
»Sie kennen ihn also doch?«
Gisela Nordh atmete schwer, während ihr Blick Hilfe suchend umherirrte.
»Vielleicht habe ich ihn ein paarmal gesehen, aber ich kann nichts über ihn sagen.«
»Was hat Marianne von ihm erzählt?«
»Nichts … so gut wie nichts. Sie hatte Angst vor ihm.«
»Auf den Fotos sieht sie nicht besonders ängstlich aus.«
»Haben Sie die in ihrer Wohnung gefunden?«, fragte sie kleinlaut.
»Wir haben sie nicht bei ihren Privataufnahmen entdeckt.
Diese Fotos lagen unter anderen Dokumenten in einer Schreibtischschublade, als wollte sie sie verstecken. Warum hatte sie Angst vor ihm?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Gisela Nordh und kniff den Mund zusammen.
»Vielleicht sind Sie ja bereit, mir mehr zu sagen, wenn ich Ihnen versichere, dass Marco Fermi wegen Kokainbesitzes in Untersuchungshaft sitzt und vermutlich für viele Jahre ins Gefängnis muss«, versuchte es die Kommissarin.
»Mehr weiß ich nicht.«
»Sie könnten mir zumindest sagen, ob Marco Fermi und Peter Enqvist sich kennen.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Und Axel Hemberg? Kennt er Fermi?«
»Das weiß ich auch nicht.«
307
Gudrun Skog ließ die Klarsichthülle wieder in der Schublade verschwinden und schaute Gisela Nordh forschend an. Es bestand kein Zweifel, dass weitere Fragen zwecklos waren.
Dennoch fügte sie hinzu: »Können Sie uns irgendeinen anderen Hinweis geben, der uns helfen könnte, Mariannes Mörder zu fassen?«
»Nein.«
»Das wäre dann alles. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, wissen Sie ja, wo ich zu finden bin.«
Gisela Nordh stand hastig auf. Mit sichtbarer Erleichterung schüttelte sie der Kommissarin die Hand und war im nächsten Moment aus dem Büro verschwunden.
Gudrun Skog stieß das Fenster weit auf und leerte den Aschenbecher auf der Toilette, ehe sie ihre Sekretärin rief.
»Ich möchte, dass Sie einen Bericht an Hauptkommissar Stenberg in Christiansholm schreiben«, sagte sie ein wenig zerstreut.
308
25
Am selben Vormittag
PM war
Weitere Kostenlose Bücher