Der letzte Aufstand
Leibgardisten hier gehören zum Stab von König Karel, meinem Onkel.“
„Du bist gar nicht von hier?“, fragte Lea.
„Nein, ich bin aus Noooh, einem Reich in einer parallelen Welt. Aber das spielt keine Rolle, Lea. Wenn wir wachsen, realisieren wir, dass wir überall zu Hause sind. Es ist alles Teil der Schöpfung. Ich bin hierher gekommen und habe zuerst Halt in einer zerrütteten Familie gefunden. Die Frau war von einem üblen Mann missbraucht worden, aber ich hatte etwas Wunderschönes in ihr gesehen. Ich habe sie geheiratet und wir haben uns gegenseitig ein neues Leben ermöglicht. Danach habe ich mich daran gemacht, die Probleme dieser Welt zu lösen. Den Rest meiner Geschichte kennt ihr.“
„Und das Tuch?“, fragte Kahil.
„Wir nennen es ein Sprungtuch. Es erlaubt die Reise in fremde Welten, andere Gegenden, als auch die Reise in die Zukunft oder in die Vergangenheit.“, antwortete Palms.
„Aber die Zukunft verändert sich andauernd, Oliver! Wie soll man da in die Zukunft reisen können ...?“, hakte Helena ein.
„Du hast natürlich recht, Helena. Die Zukunft ist eine Probabilität. Wenn wir heute mit dem Sprungtuch in‘s Morgen reisen, dann kommen wir in der Welt an, die heute die höchste Probabilität hat. Jede Intention, die die Zukunft ändern wird, aber zum Zeitpunkt der Abreise noch nicht formiert wurde, ist dann eben nicht Teil dieses Morgens, auch wenn sie objektiv dort vertreten sein sollte. Die Welt ist bei weitem nicht so objektiv, wie wir meinen.“
Ein kurzes Schweigen liess Palms Worte in die Gehirne sinken. Die Worte trafen nach den Ohren auf etliche Widerstände und mussten sich mühsam ihren Weg ins Zentrum des Verstehens bahnen.
Dann waren draussen im Flur plötzlich Schritte zu hören. Jemand trat auf die Scherben, die immer noch dort lagen, was unter den Sohlen der Schuhe gehörig knirschte. Die Blicke wurden dem Flur zugewandt. Henk tauchte, das Vard noch in der Hand, auf.
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Paris, 10 Tage nach „Tag X“
16.30 Uhr
Als Prinz Melbar die Reportage auf LTG gestern in New York gesehen hatte, machte sie ihn zuerst einfach wütend. Wieso versuchten die Theken ihn daran zu hindern, das in Besitz zu nehmen, was ihm zustand? Er hatte sich aus Frust so fest in die eigene Hand gebissen, bis er den Eisengeschmack seines Blutes im Mund geschmeckt hatte.
Der Schmerz erdete ihn, half ihm wieder klarer zu sehen, was im grossen Plan als nächstes anstand. Danach hatte er sich die Hand verbunden und ein Ticket nach Paris gekauft. Paris war die einzige Fährte, die er - Dank dem Interview auf LTG - hatte, und wenn er etwas gegen die Pläne von diesem Palms unternehmen wollte, dann war die französische Hauptstadt die Adresse um loszulegen. Er würde die Leute mit seiner eisernen Faust zerschlagen.
Als er dann am späten Nachmittag in Paris gelandet war, spürte er den Aufwind in seiner Seele als ein Prickeln, das über seinen ganzen Körper lief. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, rief er auf dem Flughafen Charles-de-Gaulle in einem Internetcafé die Google Maps -Seite auf und inspizierte die Gegend um den Flughafen im Satelliten-Modus. Wenn die Theken eines wirklich gut taten, dann war es all die Arbeit, die sie in das Internet steckten. So vieles wurde dort andauernd auf dem neusten Stand gehalten. Melbar hatte sich die Konturen des Gefängnisses, das man auf dem kurzen verwackelten Filmchen im Interview gesehen hatte, gemerkt. Und jetzt musste er nur ein Gebäude finden, das diesen Konturen einigermassen entsprach, was genau eine kleine halbe Minute dauerte. Wieder spürte er das Prickeln auf seiner Haut. Palms und seine ATO wussten es zwar nicht, aber ihre Zeit war um. Wenn sich Ereignisse wie Butter streichen liessen, dann war das ein Indiz für ihre Richtigkeit, für ihre Zeit.
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Paris, 10 Tage nach „Tag X“
18.07 Uhr
Guillaume dachte nicht mehr klar, aber er hielt sich an einer Idee fest, wie ein Ertrinkender sich an einem Stück Holz festklammerte. Danielle und Luc würden ihn aufspüren, und wenn er nur genug Zeit kaufte, indem er Broccart immer wieder auf‘s Neue herausforderte und sich nicht fügte, dann würde man ihm Hilfe schicken und ihn retten.
Er lag auf dem Rücken. Broccart stand neben ihm und liess genüsslich Erde auf sein Gesicht rieseln.
„Bullen sollten regelmässig Erde essen, weisst du? Das ist gesund!“, sagte Broccart. Er lachte, fand seinen eigenen Humor göttlich.
Guillaume hielt seinen Mund geschlossen und
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