Der letzte Aufstand
atmete durch die Nase. Trotzdem war es schwierig an genügend Luft zu kommen. Er drehte den Kopf, versuchte die Erde weg zu schütteln.
„Meine Freunde werden dich finden, Broccart! Du wirst in einer Zelle verrotten!“ Guillaume murmelte es nur, er hatte nicht mehr genug Kraft um es laut und deutlich zu sagen, aber Broccart hatte es gehört.
Provozieren, Zeit kaufen, dachte Guillaume immer wieder. Broccart würde ihn nicht fertig machen, solange er widerspenstig war. Der alte Mann hatte ein riesiges Ego-Problem, er würde erst Schluss machen, wenn er ihn gebrochen hatte. Broccart holte aus und trat Guillaume in die Seite. Er geiferte jetzt, wenn er sprach: „Du dummer Bulle! Glaubst immer noch nicht an deinen eigenen Untergang?“
Er trat wieder zu, zweimal. Guillaume rollte sich weg. Dann schaute er Broccart direkt in die Augen und lächelte ihn an. „Ist das alles, alter Mann?“, hauchte er stückweise.
Alles tat ihm weh, aber das durfte er nicht zeigen. Das wäre reines Ego-Futter für Broccart, also schluckte er die Schmerzen hinunter, so gut es ging. Broccart wurde einen Moment lang ganz steif. „Was hast du gesagt, Bulle? Wie hast du mich genannt? Alter Mann? Soll ich dir zeigen, was der alte Mann alles kann? Soll ich dir jeden Finger einzeln brechen?“
Broccart kniete sich hinunter und rollte Guillaume auf den Bauch. „Ich werde dir jedes Gelenk einzeln knacken, du Dreckstück!“
Guillaume spürte, wie er sich an seinen Händen zu schaffen machte. Doch im nächsten Moment hörte er einen blubbernden Schrei, einen Vokal, der kein Vokal mehr war. Broccart fiel neben ihn. Blut floss aus seiner Kinnlade, die von unten mit einem grossen Schraubenzieher aufgespiesst war. Das Metall guckte oben aus der Schädeldecke raus. Broccarts Kopf war von unten nach oben aufgespiesst worden. Er zuckte, gab aber keinen Laut mehr von sich.
Dann zog ihm jemand von hinten die Handschellen aus, als seien sie ein Paar Handschuhe. Guillaume drehte sich um. Er verstand die Welt nicht mehr. Ein Mann in schwarzer Kleidung und mit einem hochgebundenen Rossschwanz stand vor ihm. Der Mann ging in die Hocke und zog den Schraubenzieher aus Broccarts Schädel.
„Er hat das Vard kennen gelernt!“, sagte er.
„Wer bist du?“, fragte Guillaume.
„Der Kronprinz von Noooh hat mich geschickt.“
Der Mann verneigte sich und ging davon, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er verschwand hinter einem kleinen Hügel im Wald.
☸
Paris, 10 Tage nach „Tag X“
18.10 Uhr
Flying Shark war nicht zu bremsen. Er hielt sich ziemlich sicher für eine Gazelle, so wie er von links nach rechts sprang und dann Sekunden lang mit allen vier Pfoten Bodenkontakt vermied. Vielleicht dachte er auch, er sei ein Storch, da er danach Ansätze vom Stand auf einem Bein zeigte. Jedenfalls war er in Fahrt. Danielle und Luc hatten so viel Zeit im Forschungszimmer verbracht, dass Flying Shark der hundischen Meinung erlegen war, man habe ihn verlassen und aus dem Rudel ausgestossen. Und jetzt, wo seine beiden Chefs plötzlich wieder ins Zimmer traten, war die Freude einfach nicht zu unterdrücken.
„Es ist nur eine kurze Pause, Shark! Freu dich nicht zu fest!“, sagte Danielle und schüttelte ihn am Nacken.
„Tee?“, fragte Luc, bereits unterwegs zum Wasserkocher.
„Gerne! Und was zu essen. Ich geh kurz in die Mensa und hol uns was.“
Fünf Minuten später sassen sie über dampfenden Teetassen und schwiegen sich an. Neben dem Tee lagen zwei Pain au chocolat , die noch warm waren. Beide angebissen und nur noch einen kurzen Moment lang Teil dieser Welt.
Danielle hatte die Liste aus dem Forschungszimmer mit in die Pause gebracht. Mit dem Zeigefinger fuhr sie die Namen und Anschlagszeiten all der identifizierten Terrorakte ab.
„Achtundvierzig Anschläge allein in unserem Sektor!“, sagte sie. „Das können doch unmöglich alles Trittbrettfahrer sein. Ich hoffe, dass Kahil und Lea etwas Neues herausgefunden haben. Bei diesem Tempo und bei dieser Häufung von Anschlägen kommen wir nicht mehr mit, Luc! Und die Polizei und die C-Teams auch nicht.“
Luc schaute auf die Uhr. „Noch zwei Minuten bis zum Update. Dann wissen wir mehr ...“
Er rutschte näher zu Danielle heran und nahm sie in die Arme. Sein Körper fühlte sich frisch an; kein Wunder bei all der Entspannung, die dem Schlaf gleichkam, aber sein Geist war müde und ausgelaugt. Das Scannen der Zukunft, das andauernde wach und aufmerksam bleiben, obwohl der Körper quasi
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