Der letzte Aufstand
Toronto landen würden und dass Gänge auf die Toilette ab sofort nicht mehr in die Tüte kämen, da man angeschnallt dazusitzen habe. Der Pilot hatte Humor. Vielleicht musste er das haben, in seinem Beruf, wo man nie wusste, ob man vom Boden her mit einer selbstgebastelten Rakete abgeschossen wurde, oder ob man durch einen, die Security- Massnahmen geschickt umgehenden Selbstmörder in die Luft gesprengt werden würde. Was für ein Job, dachte Kahil. Er zollte den Leuten, die dafür kämpften, dass der Alltag irgendwie weiter ging, grossen Respekt. Dazu gehörten Piloten, Stewardessen, Lokführer, Krankenschwestern, Taxifahrer, Lehrerinnen und so weiter, eben der ganze öffentliche Dienst.
Der Pilot hatte das Landen genauso im Griff wie den Humor. Kahil weckte Lea erst, als es Zeit zum Aussteigen war.
Lea reagierte genauso wie er wusste, dass sie reagieren würde. Wo andere Frauen eine Szene gemacht hätten: „Wieso weckst du mich auf den letzten Drücker?“ oder so ähnlich, öffnete Lea die Augen, lächelte, streckte sich, grabschte die Tasche und verliess das Flugzeug. Praktisch veranlagt, nannte man das. Einfach und ohne Veranlagung zu Machtspielchen.
Da der Flug aus Rom zu dieser Zeit der einzige Flug war, der gerade gelandet war, ging bei der Abwicklung der Zollformalitäten alles recht schnell. Nach wenigen Minuten kamen Kahil und Lea aus der internationalen Zone auf kanadischem Grund an. Der Polizist, der die Pässe kontrollierte, schien sich nicht gross für seinen Job zu interessieren. Wieso auch, konnte man sich fragen, wenn die Anschläge doch weltweit an der Tagesordnung waren und die Terroristen bei der Auswahl ihrer Zielorte sich nicht der Spur nach für nationale Grenzen interessierten. Wieso eine Grenze bewachen, wenn es auf beiden Seiten gleich zu und her ging?
Kahil trug das wenige an Gepäck, das er und Lea bei sich hatten. Als sie die internationale Zone verliessen, betraten sie einen grossen Raum mit einer grossen Fensterfront, die Sicht auf ankommende Passagiere bot. Wie in jedem grösseren Flughafen prangten an der Decke unzählige Bildschirme, die die Daten der ankommenden Flüge anzeigten. Die Halle war mässig voll von Menschen und doch standen sicher fünfzig Leute umher, die irgendjemand abholten und sich freuten, dass der Flug von Rom nach Toronto sicher gelandet war.
Alles in dem Raum war zweisprachig angeschrieben, Französisch und Englisch, was Kahil ein wenig an den Flughafen in Beirut erinnerte, nur dass dort alles dreisprachig angeschrieben war: Arabisch, Englisch und Französisch.
Doch es war nirgends eine Frau mit einem ATO Schild zu sehen. Lea und Kahil gingen schweigend nebeneinander her und steuerten den Ausgang an. Schliesslich sahen sie von weitem eine schwarze, hagere grosse Frau, die besagtes Schild in die Höhe hob. Sie war modisch gekleidet. Ein roter Ohrring mit einem kleinen türkisfarbenen Stein hing ihr über der linken Wange.
„Seid ihr mein C-Team aus Rom?“, fragte die Frau mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
Kahil streckte ihr seine Hand entgegen. „Mein Name ist Kahil, nett Sie kennen zu lernen!“
Lea tat es ihm nach. „Lea. Freut mich!“
„Mein Name ist Belice Ardington. Willkommen in Kanada!“ Sie setzte sich in Richtung Ausgang in Bewegung. „Folgen Sie mir, ich bringe Sie ins provisorische Ausbildungszentrum, wo Sie die anderen C-Teams des Wachholder-Clans kennen lernen werden. Sie sind alle ein wenig vor Ihnen eingetroffen.“
„Wachholder-Clan?“, fragte Kahil.
„Ach, das ist nur ein Name, was er bedeutet, werden Sie schon noch herausfinden.“
Kahil nickte.
Belice Ardington fuhr die beiden in ein Hotel und erzählte ihnen unterwegs etliches Wissenswertes über Toronto. Beispielsweise, dass in Toronto über 140 Sprachen gesprochen wurden, die Stadt jedes Jahr von mehr als 25 Millionen Menschen besucht wurde und daher über mehr als achttausend Restaurants verfügte, und dass in Toronto über 25‘000 Menschen ihr Geld in der Filmbranche verdienten, die jährlich einen Umsatz von einer Milliarde kanadischer Dollars ausmachte. Oder, woher der Stadtname stammte; nämlich aus einer Ableitung eines Wortes der indianischen Huron Sprache, das übersetzt soviel wie Fischfang-Damm hiess, eben Toronto.
Belice war eindeutig von fröhlicher und mitteilsamer Natur. Kahil und Lea jedenfalls konnten ohne aufzufallen weiter schweigen, was sich wie eine neue Fähigkeit anfühlte.
Im Hotel angekommen wurden sie zuerst von einem Portier zu
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