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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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behaupten, dass ich keine Verantwortung dafür trage. Aber sie hat sich umgebracht.«
    »Und wollte es Ihnen in die Schuhe schieben?«
    Er zuckte die Achseln. »Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.«
    »Also, was soll ich Ihrer Meinung nach tun, Rusty? Mich nett bei den Geschworenen bedanken und sie nach Hause schicken?«
    Sabich musterte Tommy eine Sekunde lang. »Unter uns?«, fragte er.
    »Meinetwegen.«
    Rusty schaute kurz unter die Türen der Kabinen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht besetzt waren, dann wandte er sich zu Molto um.
    »Wie wär's, wenn wir die Sache abkürzen? Sie wissen genauso gut wie ich, dass absolut nicht abzuschätzen ist, wie das Ganze ausgeht. Es ist außer Kontrolle geraten. Ich bekenne mich schuldig wegen Behinderung der Justiz, weil ich den Computer manipuliert habe. Die anderen Anklagepunkte werden fallen gelassen.«
    Sabich hatte auf seinen knallharten Machomodus geschaltet. Aber er meinte es ernst. Tommys Herz begann, wie wild zu flattern.
    »Kein Schuldspruch wegen Mordes?«
    »Den ich nicht begangen habe. Nehmen Sie, was Sie kriegen können, Tommy.«
    »Welche Haftstrafe?«
    »Ein Jahr.«
    »Zwei«, sagte Tommy. Er verhandelte reflexartig. Sabich zuckte erneut die Achseln. »Zwei.«
    »Ich bespreche das mit Brand.«
    Tommy starrte Sabich noch einen Moment länger an und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Als er schon fast an der Tür war, hielt er inne. Es war ein eigenartiger Augenblick, aber dann schüttelten sie sich doch die Hände.
     
    »Weißt du, was passiert ist?«, fragte Tommy, als er sich wieder auf der Geschworenenbank neben Brand setzte. Der Gerichtssaal hatte sich noch nicht vollkommen geleert. Sterns Leute waren draußen auf dem Gang, aber es gingen noch immer ein paar Gerichtsmitarbeiter ein und aus. Fast lautlos flüsternd, erzählte er Brand, was Sabich angeboten hatte. Jim glotzte bloß, die dunklen Augen hart wie Stein.
    »Wie bitte?«
    Tommy wiederholte das Angebot.
    »Das kann er nicht machen«, sagte Brand.
    »Doch, wenn wir ihn lassen.«
    Brand war so gut wie nie konfus. Er konnte vor Wut die Beherrschung verlieren, aber es kam praktisch nie vor, dass ihm irgendwas die Sprache verschlug. Diesmal jedoch fand er keine Worte.
    »Kein Schuldspruch wegen Mordes?«, brachte er schließlich heraus.
    »Er hat vorhin etwas absolut Richtiges gesagt. Der Prozess ist außer Kontrolle geraten. Keiner weiß, was als Nächstes passiert.«
    »Er kommt mit zwei Morden ungeschoren davon?«
    »Die Chancen stehen so oder so nicht schlecht für ihn. Jedenfalls besser als unsere, einen Schuldspruch zu erreichen.«
    »Das kannst du nicht machen, Boss. Das geht nicht. Der Scheißkerl ist ein Doppelmörder.«
    »Gehen wir rüber ins Amt. Inzwischen müsste die Luft rein sein.«
    Draußen war es heiß. Die Sonne war diese Woche stark, und wie immer in diesem Teil des Landes kam der Sommer so unvermittelt, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Der Frühling hatte so viel Regen gebracht wie noch nie. Das war das Tolle an der globalen Erwärmung. Man wusste nie, in welcher Klimazone man am nächsten Tag leben würde. Einen Monat lang war Kindle County das Amazonasbecken gewesen.
    Im Büro angekommen, nahmen sich beide erst mal zehn Minuten Zeit, um alle Telefonnachrichten durchzusehen. Tommy hatte bestimmt zehn Anrufe von Journalisten erhalten. Er würde sich später am Nachmittag mit Pressesprecher Jan DeGrazia zusammensetzen müssen, nur um sich von ihm beraten zu lassen. Schließlich ging er nach nebenan in Brands kleineres Büro.
    Sie setzten sich. Zum Mobiliar im Büro des Ersten Staatsanwaltes gehörte ein Football mit dem Autogramm irgendeines Uraltstars. Tommys Erinnerung nach war der Football schon immer hier gewesen, schon zu den Zeiten von John White, der Erster Staatsanwalt gewesen war, als Rusty und er gerade angefangen hatten. Bei Besprechungen kam es sehr häufig vor, dass der Ball hin und her geworfen wurde. Brand, dessen Hände um das Ding passten, als gehörten sie zur Außenhaut, war meistens der Erste, der danach griff, und wenn kein anderer Lust hatte mitzuspielen, warf er ihn einfach mit perfektem Spin Richtung Decke und fing ihn wieder auf, ohne sich je dafür von der Stelle bewegen zu müssen. Als Tommy den Football jetzt auf Brands Schreibtisch sah, warf er ihn locker in Jims Richtung. Zum allerersten Mal, seit Tommy ihn kannte, ließ Brand den Ball fallen. Er fluchte und hob ihn auf.
    »Dir ist

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