Der letzte Beweis
üblichen harten Schläge - gehässige Zeitungsartikel oder hämische Verteidiger oder Nachbarschaftsvereinigungen, die ihn für jeden bestechlichen Polizisten verantwortlich machten - besser wegzustecken. Aber dennoch. Er hatte seine Schwachstellen. Und wenn ein Speer einmal die Rüstung durchbohrte, drang er ziemlich tief.
Als Stern vor Richter Yee stand und die Welt daran erinnerte, dass Tommy zugegeben hatte, während Rustys erstem Prozess vorschriftswidrig mit Beweismitteln verfahren zu sein, wurde ihm das Herz schwer. Tommys Eingeständnis war nie ein Geheimnis gewesen. Insider wussten davon. Aber allen war klar, dass Tommy das hatte sagen müssen, um seinen Job zurückzubekommen, und die Presse hatte damals nichts davon erfahren. Und da Reporter im Allgemeinen nur wieder das schrieben, was sie schon mal geschrieben hatten, war in den zahlreichen Artikeln, die sich in letzter Zeit mit Rustys erstem Prozess befasst hatten, nie erwähnt worden, dass Tommy je irgendein Fehlverhalten eingeräumt hatte. Tommy hatte als Jurist immer nur dafür gearbeitet, die Öffentlichkeit und Recht und Gesetz zu schützen, und er wollte nicht als jemand dastehen, der sich einmal hart am Rande der Legalität bewegt hatte. Als er sich allmählich wieder beruhigte, galt sein erster Gedanke Dominga. Er hatte seiner Frau das alles nie erklärt.
Sobald Yee die Verhandlung mit einem Hammerschlag vertagt hatte, wurde Tommy von fünf oder sechs Reportern umringt.
»Das ist Schnee von gestern«, sagte Tommy, »und Richter Yee hat soeben erklärt, dass es nicht in diesen Fall einfließen wird. Ich werde keinen weiteren Kommentar dazu abgeben, ehe der Prozess nicht beendet ist.« Er musste das sechs- oder siebenmal wiederholen, und als die Meute endlich abzog, um ihre Artikel zu schreiben, bat er Ruta und Rory, den Wagen mit den Beweismitteln zurück über die Straße zu schieben. Dann winkte er Brand in eine Ecke der leeren Geschworenenbank, wo sie ungestört miteinander reden konnten. Er wollte jetzt noch nicht nach unten, weil dort die Kameras warteten und die Reporter ihre üblichen Mätzchen abziehen würden. Sie würden ihm Mikrofone unter die Nase halten, nur damit sie Filmmaterial bekamen, in dem er sich weigerte zu dementieren, dass er bei Rustys erster Anklage gegen irgendwelche Vorschriften verstoßen hatte. Sandy Stern, der seine Sachen zusammenpackte, schaute kurz zu ihnen rüber und kam dann mit seinem Stock auf sie zugehinkt. Tommy sah ihn an und schüttelte den Kopf, als er noch sechs Meter entfernt war.
»Nicht«, sagte er.
»Tom, ich hab mich da hinreißen lassen.«
»Lecken Sie mich am Arsch, Sandy. Sie haben doch nur drauf gewartet, das mal an den Mann zu bringen.« In seinen über dreißig Jahren bei der Staatsanwaltschaft hatte Tommy nur ganz selten so mit einem anderen Anwalt geredet. Stern hatte die Hände gehoben, aber Tommy schüttelte weiter den Kopf.
Als Stern sich schließlich abwandte, rief Brand ihm hinterher: »Sie sind ein mieser Winkeladvokat in einem teuren Anzug.«
Tommy hielt Brand am Ärmel fest.
»Nicht mal Walscheiße auf dem Grund des Ozeans ist so tief gesunken wie der«, flüsterte Brand Molto zu.
Aber eines musste man Stern lassen - er ließ sich immer noch was einfallen, um seinen Mandanten zu retten. Damit die Geschworenen morgen nicht auf der Titelseite der Tribune lasen, dass die Weihnachtskarte eine Fälschung war, lieferte er der Presse eine bessere Schlagzeile: molto räumt fehlverhalten ein. Tommy konnte sich die Wirkung auf die Geschworenen gut vorstellen; die Hälfte von ihnen würde sich irgendeine Theorie zusammenreimen, dass die Weihnachtskarte irgendwie auf das Konto der Staatsanwaltschaft ging.
»Wir sollten die DNS-Ergebnisse durchsickern lassen«, murmelte Brand.
Tommy erwog das tatsächlich einen Moment lang, doch schließlich schüttelte er den Kopf, nein. Wenn sie das machten, würde der Prozess womöglich wegen Verfahrensfehlern eingestellt. Außerdem würde das eine Untersuchung nach sich ziehen, und Tommy war nicht bereit, unter Eid zu lügen oder das von anderen zu verlangen. Es wäre eine angemessene Rache an Stern und Sabich. Aber die Nachricht würde in ein paar Wochen ohnehin an die Presse gehen, und dem vorzugreifen würde das derzeitige Chaos nur noch schlimmer machen.
»Falls Yee die Beweise für den Betrug mit der Karte tatsächlich nicht zulässt, müssen wir Berufung einlegen«, sagte Brand.
Eine Berufung mitten im Verfahren war zwar ungewöhnlich,
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