Der letzte Bissen
mich sehr erfreut, dass ich mit Ihnen nicht nur eine kompetente, sondern auch äußerst attraktive Frau kennen gelernt habe. Ich hoffe, dass dies nicht unsere letzte Begegnung war.«
Sarah wurde rot. Als sie den Blick abwandte, sah sie, wie Hinrichs die Augen verdrehte.
Eberwein verließ mit der Mappe in der Hand den Raum.
»Schmierlappen!«, kommentierte Hinrichs und strich sich über das schüttere Haar.
»Ich finde ihn ganz nett.«
»Das hätten Sie nicht sagen müssen«, grinste Hinrichs. »Sie sind jetzt noch rot wie ein Schulmädchen beim ersten Kuss!«
Sarah betrat ihr Büro, das sie mit Hauptkommissar Petersen teilte. Petersen saß ausnahmsweise nicht vor seinem Monitor, sondern hantierte an der Kaffeemaschine. Er war ein paar Jahre älter als seine Kollegin, trug stets Designerjeans zu sündhaft teuren Sakkos, einen Dreitagebart und eine Brille, die speziell für ihn angefertigt worden war. Ansonsten hatte er ein Durchschnittsgesicht ohne markante Zeichen.
Petersen stand hoch im Kurs bei den Polizeioberen. Aufgrund seiner Recherche hatten sie vor einigen Wochen vier hochkarätige Dealer gefasst, die auf der Lohnliste des Bergmanns standen.
Für Sarahs Geschmack setzte Petersen ein bisschen zu viel auf die Möglichkeiten der neuen Technik. Für die Kommissarin war der Computer ein Hilfsmittel, für Petersen Gott. Er konnte ihr einen dreistündigen Vortrag über die Vorteile von apple gegenüber den Maschinen von Bill Gates halten. In der Bibel stand irgendwo, dass man seinen Nächsten lieben solle wie sich selbst. Von der Liebe zu Macintosh stand dort nichts.
»Wie ist es gelaufen?«
»Gut!«
»Das freut mich! Auch einen Kaffee?«
Sarah schaute auf die Uhr. »Danke, nein. Ich mache Feierabend. Imogen kommt heute von einer Ausstellung in Madrid zurück.«
»Und da kocht Frauchen ihm was Leckeres.«
»So ist es!«
»Darf man fragen, was es gibt?«
»Zwiebelauflauf mit Zucchini und Auberginen.«
Petersen hackte wieder auf der Tastatur herum. »Weißt du, warum Blondinen mit gespreizten Beinen am Stand liegen?«
Sarah verzog das Gesicht. Petersen war für seine Blondinenwitze berühmt-berüchtigt.
»Nun sag schon!«
»Weil sie auf die Seezunge warten.«
Petersens Gegacker begleitete sie bis zum Aufzug.
Ausnahmsweise konnte ihr Petersen nicht die Laune verderben. Eberwein ging Sarah nicht aus dem Kopf. Schon lange hatte sie bei der Begegnung mit einem Mann kein Herzklopfen mehr gehabt. Das letzte Mal lag fünf Jahre zurück. Sie war damals gerade dreißig geworden und arbeitete als frisch gebackene Oberkommissarin im Dezernat Eigentumsdelikte. In Imogens Galerie war eingebrochen und Gemälde im Wert von einigen tausend Euro waren gestohlen worden. Sie hatte den Fall übernommen. Im Rahmen der Ermittlungen war sie dem damals noch relativ unbekannten Maler sehr nahe gekommen. Ganz nahe in der Kochnische der Galerie. Sie hatten eine halbe Stunde gebraucht, um die Küche wieder aufzuräumen. Vier Monate später war sie zu ihm gezogen.
Als nach vielen Tierseuchen immer deutlicher wurde, welcher Schaden der Volksgesundheit durch den ungehemmten Fleischkonsum entstand, die globalen Umweltschäden durch Massentierhaltung ungeahnte Ausmaße annahmen und ein Verbot der Tierhaltung, der Fleischproduktion und des Fleischverzehrs unumgänglich schien, gehörte Sarah zu denen, die die EU-weite Prohibition uneingeschränkt unterstützten.
Nach Inkrafttreten der Prohibition hatte Sarah sich baldmöglichst in die Soko Fleisch versetzen lassen; sie wollte dazu beitragen, dass die fleischlose Gesellschaft keine Utopie blieb. Den Kampf gegen die Fleischmafia führte sie aus voller Überzeugung. Schon vor dem Verbot, nach BSE, Schweinepest und Vogelgrippe, war sie zu den Vegetariern übergelaufen. Jetzt erfüllte sie allein der Gedanke an frühere Grillfeste und Fondue-Essen mit Ekel.
Ihr Freund Imogen hatte ebenfalls die Zeichen der Zeit erkannt. Er hatte seine Kunst für die Kampagne der Regierung zur Verfügung gestellt und zahlreiche Preise abgeräumt. Mit Stolz hatte er ihr kürzlich berichtet, dass das Kanzleramt für einen fünfstelligen Betrag sein Stillleben Avocado erworben hatte.
Sarah überquerte den Parkplatz. Als Hauptkommissarin war ihr für ihren Mittelklassewagen ein Stellplatz zugeteilt worden. Sie nestelte ihren Wagenschlüssel aus ihrer Handtasche und stutzte.
Zwei Uniformierte umkreisten ihren Wagen. Ein Schäferhund sprang an den Kofferraum.
Sarah wurde sauer. Dieses Vieh
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