Der letzte Bissen
das geräumige Wohnzimmer zu einer Anrichte, auf der diverse Flaschen mit hochprozentigem Inhalt in Reih und Glied standen. An den Wänden hingen einige seiner eigenen Bilder, unverkäufliche Lieblingswerke.
Sarah blickte ihm nach. Imogen war braun gebrannt, offenbar hatte er die Woche in Madrid nicht nur in Ausstellungshallen zugebracht. Er trug eine weiße Leinenhose, die an den Hüften etwas spannte. Schon vor einigen Monaten hatte Sarah festgestellt, dass ihr Freund zugelegt hatte. Vielleicht sollten sie es wieder mal mit Trennkost versuchen.
»Irgendeine Idee, wer dir da was anhängen will?«, fragte Imogen und schüttete sich einen Carlos I ein, den er aus Spanien mitgebracht hatte.
»Ich habe keine Ahnung!«
»Ein aktueller Fall?«
Sarah schüttelte den Kopf und warf das durchweichte Papiertaschentuch in den Abfalleimer. »Ich bin seit zwei Jahren im Innendienst, ich habe mit laufenden Ermittlungen nichts mehr zu tun. Niemand hat einen Vorteil, wenn man mich aus dem Verkehr zieht.«
»Was ist mit deinem Kollegen, diesem...« Imogen fiel der Name nicht ein.
»Petersen? Der ist zwar scharf auf meine Planstelle, aber er ist kein Schwein.«
Imogen kippte seinen Drink. »Es wird sich alles aufklären. Am Ende gewinnen doch immer die Guten!«
»Dies ist aber kein beschissener Hollywoodfilm, sondern mein Leben. Ich habe nichts anderes gelernt als Polizistin.«
Er ergriff ihre Hand und zog sie vom Sofa. Er umarmte sie und drückte sie fest an sich. »So schlimm wird es nicht werden. Du hast ja mich.«
Sarah genoss die Umarmung und schloss die Augen. Vielleicht hatte Imogen Recht. Alles würde sich aufklären. Man würde die Intrige durchschauen, den oder die Verantwortlichen finden und sich bei ihr entschuldigen. In ein paar Wochen würden sie über die Angelegenheit lachen.
Imogen lockerte seinen Griff. »Was dagegen, wenn ich nochmal kurz zur Galerie fahre?«
»Jetzt noch?« Sie löste sich aus seiner Umarmung.
»Petra hat mich schon in Madrid angerufen. Die Steuerprüfer haben sich angekündigt.«
Petra war Imogens Galerieleiterin. Seit er zu den gefragten Malern der Hauptstadt gehörte, konnte er sich nicht mehr um die Galerie kümmern und hatte Sarahs beste Freundin Petra für den Job engagiert. Petra hatte Kunstgeschichte studiert und war nach der Schließung eines der staatlichen Museen arbeitslos geworden.
»Warum hat das nicht bis morgen Zeit?«
Imogen nahm seine Jacke, die auf dem noch geschlossenen Koffer lag. »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!« Er küsste sie auf die Wange. »Ich bin in zwei Stunden wieder zurück. Spätestens. Ich bringe uns Pizza mit.«
Im Flur drehte sich Imogen noch einmal um. »Ich bin ja jetzt der Ernährer!«
Er grinste und schloss die Tür hinter sich.
Sarah hörte seine eiligen Schritte im Treppenhaus. Imogen glaubt also nicht daran, dass alles ein glückliches Ende nimmt, schoss es ihr durch den Kopf. Sie öffnete eine neue Packung Papiertaschentücher.
Bastian fluchte und ließ seinen Frust an der Tastatur aus. Irgendein Arschloch hatte sein Gebot um einhundert Euro überboten und über die Zeit gerettet. Schlemmen hinter Klostermauern war verloren. Und das nur, weil die Typen von der Internen ihn bis weit nach Mitternacht im Präsidium festgehalten und verhört hatten. Dann waren sie mit ihm zu seiner Bude gefahren und hatten sie auf den Kopf gestellt.
Natürlich hatten sie weder Kalbsnierchen noch Lendensteaks gefunden, aber ihre Blicke angesichts eines kompletten Jahrgangs von essen & trinken aus dem Jahre 2004 und seiner Rezeptsammlung Alles über die Zubereitung von Wild hatten Bände gesprochen.
Bastian hatte bei der Vernehmung gar nicht erst versucht, seine Schuld zu leugnen. Auf die Fragen nach seinen Essgewohnheiten und Vergehen in der Vergangenheit hatte er die Aussage verweigert. Seine Suspendierung war unausweichlich.
Er konnte es seinen Kollegen nicht krumm nehmen, dass sie ihn in die Mangel genommen hatten. Sie machten nur ihren Job. Er fühlte sich auch nicht ungerecht behandelt. Irgendwann hatte herauskommen müssen, dass er ein Fleischfresser war. Natürlich war er sauer auf den Verräter Rippelmeyer, der ihn offenbar verpfiffen und mit den Internen gemeinsame Sache gemacht hatte. Aber Bastian war ja bewusst gewesen, dass die Loyalität seines Kollegen enge Grenzen hatte.
Bastian gab in die Suchmaschine des Versteigerers das Stichwort >Rezepte< ein und durchforstete das Verzeichnis der lieferbaren
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