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Der letzte Bissen

Der letzte Bissen

Titel: Der letzte Bissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Ard
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Ehre!«
    »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Danke, nichts. Ich bin etwas in Eile.«
    Günther Wollweber musterte ihn. »Die Jugend ist immer in Eile, aber das muss wohl so sein.«
    Grieser schwieg.
    »Sie haben etwas für uns?«
    »Und Sie haben etwas für mich?«
    Günther Wollweber warf seinem Sohn einen Blick zu. Boris verschwand kurz im Nebenraum und kehrte mit zwei Kühltaschen zurück. Er stellte sie neben den Tisch.
    »Wir würden Ihr Material gern vorher prüfen, dafür haben Sie doch Verständnis?«
    »Natürlich. Mir geht es genauso!«
    »Medium?«
    »Englisch«, sagte Grieser.
    Er fingerte einen wattierten DIN-A4-Umschlag aus der Tasche seines Sakkos hervor. Unschlüssig hielt er ihn in der Hand, bis ihn Boris davon befreite.
    »Ich werde alles veranlassen.« Boris verließ den Raum.
    Günther Wollweber fuhr seinen Rollstuhl an die Panoramascheibe und starrte auf das geschäftige Treiben der Hauptstadt. »Darf ich Sie fragen, warum Sie das tun?«
    »Fragen dürfen Sie.« Grieser stellte sich neben Wollweber. Er fühlte sich jetzt gut. Sehr gut, sehr entspannt. Er hatte nicht vor, dem Alten von seinen Träumen und Sehnsüchten zu erzählen, von seinem Verlangen und seiner Leidenschaft.
    »Ist es etwas Politisches?«, fragte Wollweber, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen.
    »Nein, es ist persönlich.«
    »Verstehe.«
    Was verstehst du schon, dachte Grieser. Nichts verstehst du. Du lebst wie die Made im Speck. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man Tage, manchmal Wochen auf die nächste Lieferung wartet. Wenn man immer wieder minderwertige Ware untergejubelt bekommt, für einen Wahnsinnspreis. Aber das wird sich alles ändern. Hier. Heute. Jetzt.
    Grieser wies mit dem Kopf auf die beiden Kühltaschen. »Ihr Sohn hat Ihnen gesagt, dass das da nur eine Anzahlung ist?«
    Günther Wollweber schaute ihn erstaunt an. »Nein, das hat er nicht!«
    »Kann sein, dass ich mich beim letzten Mal unklar ausgedrückt habe. Ich will alle drei Monate die gleiche Menge. Bis an mein Lebensende.«
    Grieser genoss den verdutzten Ausdruck im Gesicht des Alten. Aber dessen Mimik änderte sich schnell. Die Adern an Wollwebers faltigem Hals füllten sich mit Blut und das sanfte Lächeln verschwand.
    »Mein Material ist es wert!«, fügte Grieser schnell hinzu. »Sie werden sehen.«
    Der Alte räusperte sich. »Es ist Privileg und leider auch Laster der Jugend, unverschämt zu sein. Ich verzeihe Ihnen. Ich war in Ihrem Alter nicht anders.«
    Es klopfte an der Tür und der Kellner trat ein. Er trug ein Tablett mit einem Teller und darauf einer Cloche. Erst jetzt fiel Grieser auf, dass der Mann einen Schmiss auf der rechten Wange hatte.
    Der Kellner sah unschlüssig von Grieser zu Wollweber.
    »Sie wollten die Ware probieren«, sagte Wollweber. »Setzen Sie sich!«
    Grieser folgte der Aufforderung, entfernte die Serviette vom Platzteller und lehnte sich zurück. Der Kellner trat von rechts an den Tisch heran und stellte den Teller vor den Gast.
    Feierlich hob er den Deckel. »Hüftsteak. Dreihundert Gramm. Qualität A.«
    Grieser trat Wasser in die Augen. Wann hatte er zuletzt so ein Hüftsteak gesehen? Und wie es duftete! Er war am Ziel. Die Anstrengung, der Verrat hatten sich gelohnt.
    Er griff zu Messer und Gabel.
    Während Grieser ehrfurchtsvoll die Gabel in das Steak bohrte und das Messer ansetzte, ging Boris zu seinem Vater und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Die Klinge glitt durch das Fleischstück wie durch Butter. Grieser konnte noch nicht essen, er musste mehrfach schlucken, um die Unmengen von Speichel in seinem Mund magenwärts zu pumpen.
    »Sie haben nicht übertrieben«, hörte er Wollweber senior sagen. »Das Material ist erstklassig.«
    »Dann sind wir uns ja einig!«
    Grieser hob die Gabel und führte das Stück Fleisch zum Mund. Er schloss die Augen, kaute, schluckte.
    Marcel Proust fiel ihm in diesem Moment ein, die Beschreibung, wie der Schriftsteller ein Törtchen genoss. Wie er in dem Moment, als es seinen Gaumen berührte, zusammenzuckte und von einem unerhörten Glücksgefühl durchströmt wurde, das mit einem Schlag die Wechselfälle des Lebens gleichgültig werden ließ, seine Katastrophen ungefährlich, seine Kürze imaginär erschien und das ihn erfüllte mit der köstlichen Essenz der Erinnerung.
    Das Gleiche passierte Grieser nun mit einem Stück zarten Rindfleischs. Irdisches Glück konnte nicht vollkommener sein. »Göttlich!«
    Er schnitt ein weiteres Stück ab. Genussvoll kauend zog er dann eine der

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