Der letzte Coyote
Anfang.«
»Was soll ich tun?«
»Ich möchte, daß Sie hierher kommen. Das ist alles. Sehen Sie es nicht als Strafe an. Ich will mit Ihnen arbeiten, nicht gegen Sie. Wenn wir sprechen, dann möchte ich, daß Sie über alles mögliche reden. Woran Sie gerade denken. Halten Sie nichts zurück. Und noch etwas. Ich sage nicht, daß Sie nichts trinken dürfen, aber Sie müssen Ihren Alkoholkonsum einschränken. Sie müssen einen klaren Kopf haben. Wie Sie wissen, verschwinden die Effekte nicht mit dem nächsten Morgen.«
»Ich werde es versuchen. Alles werde ich versuchen.«
»Das ist alles, was ich von Ihnen will. Und da Sie im Moment so bereitwillig sind, habe ich noch eine Idee. Jemand hat eine Sitzung für morgen um drei abgesagt. Können Sie kommen?«
Bosch zögerte und sagte nichts.
»Wir scheinen endlich gute Arbeit zu leisten, und ich glaube, es würde helfen. Je eher wir unsere Arbeit getan haben, desto früher können Sie zu Ihrem Job zurück. Was meinen Sie?«
»Drei?«
»Ja.«
»Okay, ich komme.«
»Gut. Kehren wir also zu unserem Dialog zurück. Fangen Sie an. Worüber Sie sprechen wollen.«
Er beugte sich nach vorne und griff nach dem Wasserbecher. Er sah sie beim Trinken an, dann stellte er den Becher auf den Tisch zurück.
»Irgendwas?«
»Irgendwas. Was immer in Ihrem Leben passiert ist oder woran Sie gerade denken.«
Er dachte einen langen Moment nach.
»Ich habe gestern abend einen Coyoten gesehen. In der Nähe meines Hauses. Ich … ich schätze, ich war betrunken. Aber ich weiß, daß ich ihn sah.«
»Weshalb ist das bedeutend für Sie?«
Er versuchte, eine passende Antwort zu formulieren.
»Ich bin mir nicht sicher … Wahrscheinlich gibt es nicht mehr so viele in den Hügeln, hier in der Stadt. Wenigstens nicht da, wo ich wohne. Jedesmal, wenn ich einen zu Gesicht bekomme, denke ich, daß es vielleicht der letzte da draußen ist. Der letzte Coyote. Und ich nehme an, es würde mir leid tun, wenn ich nie wieder einen sehen würde.«
Sie nickte, als hätte sie gerade einen Punkt in einem Spiel erzielt, von dem er nicht genau wußte, wie man es spielt.
»Es gab mal einen im Canyon, unterhalb meines Hauses. Ich habe ihn manchmal dort gesehen und …«
»Woher wissen Sie, daß es ein Er ist? Ich glaube, Sie haben auch den von gestern abend als männlich bezeichnet. Weshalb sind Sie so sicher?«
»Ich bin mir nicht sicher. Eigentlich weiß ich es nicht. Ich rate nur.«
»Okay. Fahren Sie fort.«
»Hm, er … oder sie … lebte unterhalb meines Hauses, und ich sah ihn ab und zu. Nach dem Erbeben war er weg. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Dann sah ich letzte Nacht diesen Coyoten. Der Nebel und die Laternen ließen sein Fell irgendwie blau schimmern. Irgendwie … wirken sie gleichzeitig traurig und bedrohlich. Verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe.«
»Egal … Ich dachte an ihn, als ich später ins Bett ging. Das war, als ich meine Hand verbrannte. Ich schlief mit der Zigarette ein. Aber bevor ich aufwachte, hatte ich einen Traum. Ich glaube, es war ein Traum. Vielleicht ein Tagtraum, falls ich noch v/ach war. Und in dem Traum tauchte der Coyote wieder auf. Er war bei mir. Wir waren im Canyon oder auf einem Hügel oder so … Ich bin mir nicht sicher.«
Er hielt die Hand hoch.
»Und dann fühlte ich das Feuer.«
Sie nickte, sagte jedoch nichts.
»Also, was denken Sie?« fragte er.
»Ich deute eigentlich nicht oft Träume. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob es etwas nützt. Der wirkliche Nutzen dieser Geschichte ist, daß Sie willens waren, Sie mir zu erzählen. Es zeigt, daß Sie in bezug auf diese Sitzungen eine Kehrtwendung von einhundertachtzig Grad gemacht haben. Falls Sie meine Meinung interessiert … Ich glaube, es ist klar, daß Sie sich mit dem Coyoten identifizieren. Vielleicht weil es nicht mehr so viele Cops wie Sie gibt und Sie Ihre Existenz und Ihre Mission in gleicher Weise bedroht sehen. Ich bin mir nicht sicher. Aber denken Sie an Ihre Worte. Sie sagten, sie seien traurig und bedrohlich zugleich. Trifft das auch auf Sie zu?«
Er nahm einen Schluck aus dem Becher, bevor er antwortete.
»Es ist nicht das erstemal, daß ich traurig bin. Ich finde Trost darin.«
Sie saßen einen Moment schweigend da und verarbeiteten das Gesagte. Dann sah sie auf ihre Uhr.
»Nun, wir haben noch etwas Zeit. Gibt es noch irgend etwas, worüber Sie sprechen wollen? Vielleicht etwas, das mit dieser Geschichte zusammenhängt?«
Er ließ sich die Frage durch den Kopf
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