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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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überrascht gewesen, wie viele Artikel es über Conklin gab, bevor er überhaupt Bezirksstaatsanwalt geworden war. Als er sie jedoch durchlas, sah er, daß es sich meist um banale Berichte von Prozessen handelte, bei denen Conklin der Anklagevertreter gewesen war. Trotzdem vermittelten sie Bosch anhand der Fälle und des Stils des Anklägers ein Bild. Es war offensichtlich, wie Conklins Ruf bei der Staatsanwaltschaft und in den Augen der Öffentlichkeit durch diese namhaften Fälle gestiegen war.
    Die Artikel waren chronologisch geordnet. Der erste betraf die erfolgreiche Anklage einer Frau im Jahr 1953, die ihre Eltern vergiftet und dann in Schrankkoffern in der Garage aufbewahrt hatte, bis sich die Nachbarn einen Monat später bei der Polizei über den Gestank beschwerten. Conklin wurde in mehreren Artikeln lang und breit zitiert. Einmal wurde er als ›der flotte Staatsanwalt‹ bezeichnet. Es war einer der ersten Fälle, in denen auf geistige Unzurechnungsfähigkeit plädiert wurde. Nach der Menge der Artikel zu urteilen, war die Öffentlichkeit aufgebracht, und die Jury brauchte nur eine halbe Stunde für den Schuldspruch. Die Angeklagte erhielt die Todesstrafe, und Conklins Image als Streiter für Sicherheit und Ordnung war damit gesichert. Es gab ein Foto, das ihn nach dem Urteil mit Reportern zeigte. Er war tatsächlich ein ›flotter‹ junger Mann gewesen. Die Beschreibung paßte haargenau. Er trug einen dunklen, dreiteiligen Anzug, hatte kurzes, blondes Haar und war gut rasiert. Er war schlank, groß und sah wie das Musterexemplar eines Amerikaners aus, wofür Schauspieler Tausende an Schönheitschirurgen zahlten. Arno war auf seinem Gebiet ein Star.
    Es gab noch mehr Stories über weitere Mordprozesse. Conklin gewann sie alle. Und er beantragte jedesmal die Todesstrafe – ebenfalls immer erfolgreich. Bosch sah anhand der Artikel aus den späten fünfziger Jahren, daß er zum Senior Deputy District Attorney befördert worden war und danach zum Assistant District Attorney, einem der höchsten Posten. Es war ein kometenhafter Aufstieg in nur einem Jahrzehnt.
    Es gab einen Bericht über eine Pressekonferenz, in der District Attorney Charles Stock mitteilte, daß er Conklin mit der Leitung der Sonderkommission beauftragt habe, die Los Angeles von Prostitution, Drogen und Glücksspiel säubern und dem sittlichen Verfall Einhalt gebieten solle.
    »Ich habe Arno Conklin immer die schwierigsten Aufgaben gegeben«, sagte der Bezirksstaatsanwalt. »Und ich wende mich wieder an ihn. Die Menschen in Los Angeles wollen eine saubere Stadt und, Gott sei mein Zeuge, wir werden diese Stadt säubern. Den Leuten, denen wir jetzt das Handwerk legen, kann ich nur sagen: Verlaßt die Stadt. San Francisco wird euch aufnehmen und San Diego. Aber die Stadt der Engel will euch nicht.«
    Danach gab es aus den folgenden Jahren mehrere Artikel mit reißerischen Schlagzeilen über Razzien in Spielhöllen, Opiumhöhlen, Bordellen und auf dem Straßenstrich. Conklin leitete ein Aufgebot von vierzig Polizisten, die von verschiedenen Polizeiabteilungen im County abgestellt worden waren. Hollywood war das Hauptziel des ›Conklin Commandos‹, wie die Times die Truppe nannte. Aber die Geißel des Gesetzes traf alle Übeltäter im County. Von Long Beach bis zur Wüste gerieten alle in Panik, die einer sündhaften Tätigkeit nachgingen, wenigstens laut Zeitung. Bosch hatte keine Zweifel, daß die Bosse der Unterwelt weiterhin ihre Geschäfte gemacht hatten, daß man nur die kleinen Fische fing, die leicht zu ersetzen waren.
    Die letzte Conklin-Story in dem Stapel, datiert vom 1. Februar 1962, berichtete von seiner Kandidatur für das Amt des District Attorneys und seinem Wahlversprechen, wieder verstärkt den Kampf gegen den sittlichen Verfall der Stadt aufzunehmen. Bosch stellte fest, daß die Rede, die er auf den Stufen des alten Gerichtsgebäudes gehalten hatte, sich auf eine bekannte Theorie der Kriminalsoziologie stützte, die sich Conklin oder der Verfasser seiner Rede zu eigen gemacht hatte.
     
    »Manchmal sagen Leute zu mir: ›Wozu die ganze Aufregung, Arno? Es gibt keine Opfer bei diesen Verbrechen. Was ist so schlimm, wenn ein Mann wetten will oder einer Frau Geld bezahlt, damit sie mit ihm schläft? Wer ist dabei das Opfer?‹
    Nun, meine Freunde, ich sage Ihnen, was daran so schlimm ist und wer das Opfer ist. Wir sind das Opfer. Wir alle. Wenn wir so etwas erlauben, wenn wir einfach wegsehen, dann schwächt uns das alle. Jeden

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