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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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recht. Aber ich kann mitfühlen. Drücken wir es so aus. Ich möchte Sie etwas fragen. Hätten Sie nicht erwarten sollen, daß man Ihrem Partner einen neuen Mann zuteilt? Ist das nicht eine Dienstvorschrift, daß Detectives zu zweit arbeiten? Sie sind auf unbegrenzte Zeit beurlaubt. Passierte es da nicht automatisch, daß man ihm einen neuen Partner gegeben hat? Sei es jetzt für immer oder nicht?«
    »Kann sein.«
    »Ist es nicht sicherer, zu zweit zu arbeiten?«
    »Möglich.«
    »Was ist Ihre Erfahrung? Fühlten Sie sich sicherer, wenn Sie mit einem Partner zusammenarbeiteten und nicht allein waren?«
    »Ja, ich fühlte mich sicherer.«
    »Was geschehen ist, war also unabwendbar und sinnvoll. Trotzdem machte es Sie wütend.«
    »Das war es nicht, was mich wütend machte … Es war eher die Art und Weise, wie er es sagte und wie er sich verhielt, als ich ihn anrief. Ich fühlte mich ausgeschlossen. Ich bat ihn um einen Gefallen und er … Ach, ich weiß nicht.«
    »Er tat was?«
    »Er zögerte. Partner tun so was nicht. Man ist füreinander da. Es heißt immer, daß es wie eine Ehe ist. – Allerdings war ich nie verheiratet.«
    Sie hielt inne, um ein paar Notizen zu machen. Bosch fragte sich, was wohl so wichtig an dem war, was er gesagt hatte.
    »Sie scheinen«, sagte sie beim Schreiben, »nicht viel Frustration aushalten zu können.«
    Ihre Bemerkung machte ihn wütend. Falls er es zeigte, würde er jedoch ihre Meinung nur bestätigen. Vielleicht war es ein Trick, um eine Reaktion zu provozieren. Er versuchte, seine Ruhe wiederzugewinnen.
    »Trifft das nicht auf jeden zu?«
    »Ja, in einem gewissen Grad. Beim Durchsehen Ihrer Unterlagen sah ich, daß Sie während des Vietnamkrieges in der Armee waren. Hatten Sie Kampfeinsatz?«
    »Hatte ich Kampfeinsatz? Ja, das hatte ich. Ich war mittendrin, ich war sogar mittendrunter. Warum sprechen Leute eigentlich von Kampfeinsatz, als wäre es ein gottverdammtes Fußballspiel?«
    Sie schwieg lange, hielt ihren Stift in der Hand, schrieb aber nichts. Es schien, als ob sie abwarte, daß seine Wut verrauchte. Er machte mit der Hand eine Geste, von der er hoffte, sie drücke aus, daß er um Entschuldigung bat, daß er darüber hinweg war und daß sie jetzt weitermachen konnten.
    »Tut mir leid«, sagte er der Deutlichkeit halber.
    Sie sagte immer noch nichts, und es wurde immer schwerer, ihren Blick zu ertragen. Er sah zum Bücherregal, das eine Wand des Büros einnahm und mit dicken, in Leder gebundenen psychiatrischen Fachbüchern vollgestellt war.
    »Es tut mir leid, solch ein emotional heikles Thema anzusprechen«, sagte sie endlich. »Der Grund …«
    »Aber das ist doch der Sinn der Übung, nicht wahr? Sie haben einen Freibrief, alles anzusprechen, und ich kann nichts dagegen tun.«
    »Dann akzeptieren Sie es«, sagte sie in bestimmtem Ton.
    »Wir haben es schon mal besprochen. Um Ihnen zu helfen, müssen wir über Sie sprechen. Akzeptieren Sie es. Vielleicht kommen wir dann weiter. – Ich habe den Krieg erwähnt, weil ich Sie fragen wollte, ob Ihnen der Begriff posttraumatischer Streß bekannt ist. Haben Sie je davon gehört?«
    Er schaute sie wieder an. Er wußte, was kommen würde.
    »Ja, natürlich hab’ ich davon gehört.«
    »In der Vergangenheit diagnostizierte man eshauptsächlich bei Kriegsveteranen. Aber es ist nicht allein ein Problem, das mit Krieg oder seinen Folgen zu tun hat. Jedes Umfeld, das viel Streß produziert, kann es erzeugen. Und meiner Ansicht nach sind Sie ein Bilderbuchbeispiel dafür.«
    »O Gott …« Er schüttelte den Kopf und drehte sich auf seinem Stuhl, so daß er weder sie noch das Bücherregal, sondern den Himmel ansah. Keine Wolken. »Ihr sitzt hier in euren Sprechzimmern und habt keinen blassen Schimmer …«
    Er beendete seinen Satz nicht. Er schüttelte nur den Kopf und griff nach seiner Krawatte, um sie zu lockern – als bekäme er nicht genug Luft.
    »Lassen Sie mich zu Ende reden, Detective. Okay? Betrachten Sie die Fakten. Gibt es zur Zeit eine Tätigkeit in dieser Stadt, die mehr Streß erzeugt, als Polizist zu sein? Nach Rodney King und den Folgen, den Aufständen, Feuern, Überschwemmungen und Erdbeben könnte jeder Cop ein Buch darüber schreiben, wie man mit Streß fertig beziehungsweise nicht fertig wird.«
    »Sie haben die Killerbienen ausgelassen.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Ich auch. Es war in den Nachrichten.«
    »Wer steckte bei all diesen Krisen und Katastrophen mittendrin im Geschehen? Die Polizei. Die Leute,

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