Der letzte Coyote
nichts.
»Das habe ich mir gedacht. Passen Sie auf, ich habe heute nachmittag zwei Interviews und werde unterwegs sein. Ich kann es von einem Praktikanten zusammensuchen und für Sie beim Pförtner im Globus-Foyer hinterlassen. Ich stecke es in einen Umschlag, damit niemand sieht, was es ist. Einverstanden?«
Er nickte. Er war schon einige Male am Times Square gewesen – meistens, um sich mit Reportern zu treffen. Das Gebäude nahm einen ganzen Straßenblock ein und hatte zwei Foyers. Im Zentrum der Eingangshalle an der First und Spring Street stand ein riesiger Globus, der sich endlos drehte – wie die Nachrichten, die auch nie endeten.
»Sie hinterlegen es einfach unter meinem Namen? Bekommen Sie da nicht den Ärger, den Sie erwähnten? Wenn Sie einem Polizisten eine Gefälligkeit erweisen? Das muß doch gegen Ihre Vorschriften sein.«
Sie lächelte über seine sarkastische Bemerkung.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Falls ein Redakteur oder jemand anders fragt, sage ich, daß es eine Investition ist. Ich hoffe, Sie vergessen das nicht. Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Keine Angst. Das vergesse ich nie.«
Er beugte sich nach vorne über den Tisch, nahe an ihr Gesicht.
»Ich möchte, daß Sie sich ebenfalls etwas merken. Einer der Gründe, warum ich Ihnen nicht sage, weshalb ich dieses Zeug brauche, ist, daß ich mir nicht sicher bin, was es bedeutet. Falls es etwas bedeutet. Aber werden Sie nicht zu neugierig und forschen Sie nicht nach. Sonst vermasseln Sie alles. Dann könnte ich zu Schaden kommen – und Sie auch. Kapiert?«
»Kapiert.«
Der Mann mit dem gewichsten Schnauzer erschien mit ihren Tellern.
12
S ie sind heute aber schon früh da! Ist das ein Zeichen, daß Sie gerne hierherkommen?«
»Nicht unbedingt. Ich war mit einer Bekannten zum Mittagessen in Downtown. Danach bin ich gleich hierhergefahren.«
»Nun, es freut mich zu hören, daß Sie mit jemandem aus waren. Das ist gut.«
Carmen Hinojos saß hinter ihrem Schreibtisch. Ihr Block lag aufgeschlagen da, aber sie hielt ihre Hände gefaltet vor sich. Als bemühe sie sich, alles zu vermeiden, was das Gespräch gefährden könnte.
»Was ist mit Ihrer Hand passiert?«
Bosch hielt sie hoch und schaute auf seine bandagierten Finger.
»Ich habe mit dem Hammer draufgeschlagen. Ich habe am Haus gearbeitet.«
»Das tut mir leid. Ich hoffe, es ist nicht schlimm.«
»Ich werd’s überleben.«
»Warum haben Sie sich so fein angezogen? Hoffentlich glauben Sie nicht, daß Sie zu den Sitzungen so kommen müssen.«
»Nein. Ich … behalte nur meine Gewohnheiten bei. Auch wenn ich nicht arbeite, ziehe ich mich wie immer an.«
»Ich verstehe.«
Nachdem sie ihm Kaffee oder Wasser angeboten und Bosch abgelehnt hatte, begann sie mit der Sitzung.
»Sagen Sie mir, worüber Sie heute sprechen wollen.«
»Das ist mir egal. Sie sind der Boß.«
»Ich würde mir wünschen, daß Sie unsere Beziehung nicht so betrachten. Detective Bosch, ich bin nicht Ihr Boß. Ich bin nur ein Katalysator. Jemand, der Ihnen hilft, über alles mögliche zu sprechen. Ganz egal, was Sie loswerden wollen.«
Bosch schwieg. Ihm fiel nichts ein, was er vorschlagen konnte. Carmen Hinojos schlug ein paarmal mit dem Bleistift auf ihren Schreibblock, bevor sie das Schweigen brach.
»Nichts, rein gar nichts?«
»Mir fällt nichts ein.«
»Warum sprechen wir dann nicht über gestern? Als ich Sie anrief, um Sie an unsere heutige Sitzung zu erinnern, waren Sie offensichtlich wegen irgend etwas verärgert. Hatten Sie sich da gerade auf die Finger geschlagen?«
»Nein, das war’s nicht.«
Er brach ab, aber sie sagte nichts, und so beschloß er, etwas nachzugeben. Er mußte sich eingestehen, daß ihm einiges an ihr gefiel. Es schien keine Bedrohung von ihr auszugehen, und er glaubte ihr, wenn sie sagte, daß sie ihm nur helfen wolle.
»Ich hatte erfahren, daß mein Partner, das heißt der, der vor dieser ganzen Geschichte mein Partner war, jetzt mit einem neuen Mann zusammenarbeitet. Man hat mich schon ersetzt.«
»Was für Gefühle verursacht das in Ihnen?«
»Sie haben mich gestern gehört. Ich war wütend. Jeder würde wütend sein. Ich habe meinen Partner später angerufen, und er hat mich behandelt, als wäre ich weg vom Fenster. Der Typ hat eine Menge von mir gelernt und …«
»Und was?«
»Ich weiß nicht. Es schmerzt, würde ich sagen.«
»Ich verstehe.«
»Nein, das glaube ich nicht. Dann müßten Sie in meinen Schuhen stecken.«
»Da haben Sie wohl
Weitere Kostenlose Bücher