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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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Augenblick hatte er sich vor nichts wirklich gefürchtet, denn in einem gewissen Sinn war er durch die Prophezeiung geschützt. Die Tatsache, dass jemand, genauer gesagt, Arduin, der Herr des Lichts, Vermutungen über sein Schicksal angestellt hatte, deutete darauf hin, dass er immerhin eines hatte. Aber jetzt wusste er, dass er sich außerhalb der Prophezeiung bewegte! Eher als sein Leben mit dem dieser bösartigen Gans von Aurora zu verbinden, ließ er sich doch lieber von einem Troll fressen. Oder krepierte hier in den Verliesen von Daligar. Wenn die Prophezeiung aber nur zum Teil zutraf, wurde sein Anspruch auf Überleben eine Ermessensfrage: Arduin war dafür, der Verwaltungsrichter strikt dagegen und Letzterer war wesentlich näher als der Erste und in wesentlich zahlreicherer Gesellschaft. Wenn er doch nur Robi retten könnte!
    Plötzlich war der Gang einfach zu Ende. Sie waren im Schlamm vorwärtsgerobbt und nun befanden sie sich vor einem Gitter. Auf der anderen Seite dehnte sich die Dunkelheit und die Luft war kalt und rein. Offenbar mündete der Gang in eine Höhle. Das Gitter bestand aus einem komplizierten Rankenwerk, das wiederum Efeu darstellte. Die Blätter waren aus Silber, die Ranken selbst aus Gold und sie waren kreuzweise zu Bögen verschlungen. Die Arbeit war mit Sicherheit elfischen Ursprungs und mit ebenso großer Sicherheit war keine Möglichkeit der Öffnung vorgesehen, es gab weder Schlösser noch Angeln. Es war eben ein Gitter, kein Gittertor.
    »Ich muss dich etwas fragen«, sagte Robi. Im unsteten Licht der Fackel funkelten ihre Augen wie Sterne und ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Yorsch deutete ein zustimmendes Lächeln an und hoffte, es handle sich nicht um die Frage nach der Wahrscheinlichkeit ihres Überlebens, denn das war ein Thema, zu dem er sich lieber nicht näher äußern wollte.
    »Nun?«, fragte er.
    Robi nickte. Schüchternheit machte sich auf ihrem Gesicht breit und brachte das Lächeln zum Erlöschen, aber sie nickte beharrlich weiter.
    »Also gut, was willst du wissen?«
    »Was der Richter gesagt hat... hmm... Nachfahr, hat er gesagt. Heißt das, dass einer die gleiche Arbeit macht oder dass er vom gleichen Blut ist? Das heißt, die Tochter des Sohnes des Enkels der Tochter ist... so in etwa. Hast du verstanden?«
    Yorsch war verdutzt. Verdutzt und gerührt. Der Wissensdurst dieses Mädchens war so groß, dass sie sich sogar jetzt, angesichts der Alternative zwischen dem Richter und seinem Galgen und einem weniger dramatischen Tod durch Verhungern mit der Bedeutung eines Wortes beschäftigte.
    »Es kann beides heißen«, erklärte er.
    Robi nickte befriedigt.
    »Hat er viele Kinder gehabt, dieser Herr da, der des Lichts?«
    »Du meinst Arduin?«
    »Ja.«
    Yorsch versuchte, sich zu erinnern, Geschichtsbücher halten sich gewöhnlich nicht lange bei Familienverhältnissen auf.
    »Hmmm, ja, jetzt erinnere ich mich. Er hatte einen Sohn, der ihm nachfolgte und kinderlos starb, Gesein der Weise, und mindestens sechs Töchter, von denen zwei aus Daligar fortgegangen sind, weil sie sich anderswo verheirateten.«
    »Und diese Töchter haben Söhne oder Töchter gehabt, die wiederum Söhne oder Töchter gehabt haben, sodass man heute nicht mehr weiß, ob einer ein Nachfahr Arduins ist! Vielleicht gibt es sogar Nachfahren, die gar nicht wissen, dass sie es sind!«, schloss sie triumphierend.
    Yorsch dachte einen Augenblick lang nach. Als Unterhaltung war das wirklich etwas eigenartig, aber wenigstens schoben sie so den Moment hinaus, in dem sie sich eingestehen mussten, dass keine Hoffnung mehr war.
    »Ja. Ich glaube, ja«, bestätigte er.
    Nach dem Ausflug in die Geschichte, kehrte das Gespräch wieder zur Bedeutung von Wörtern zurück.
    »Hell... hmmm... hellsehen...«
    »Hellsicht?«
    »Ja, Hellsicht. Heißt das, wenn du die Augen zumachst, erscheinen von allein die Bilder von dem, was später wirklich passiert?«
    »Ja«, antwortete Yorsch mit Nachdruck. Dann hatte er genug von dieser Unterhaltung. »Es gibt überhaupt keinen Weg, dieses Gitter zu überwinden.«
    »Aber sicher doch«, entgegnete Robi ruhig, »es muss einen geben. Es kann gar nicht anders sein. Du hast nur noch nicht lang genug nachgedacht. Du hast nicht zufällig etwas zu essen? Auch dummes Zeug, wenn du willst.«
    »Dummes Zeug?« Die Unterhaltung wurde wirklich immer seltsamer.
    »Was nicht denkt!«
    Mithilfe der sechsundzwanzig Handbücher für Nähen und Sticken in seiner Bibliothek hatte

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