Der letzte Elf
weil viel giftig wäre. Todbringend giftig. Aber was ist wenig und was viel ?
Im Zweifelsfall ging es eben weiter mit den Verbrennungen. Er musste nur versuchen, jede plötzliche Gefühlsregung von dem Kleinen fernzuhalten.
Yorsch hatte genug gesammelt. Er richtete sich wieder auf. Hinter ihm ragten die schneebedeckten Gipfel der Schattenberge gleißend in den blauen Himmel hinauf und unter ihm öffnete sich das Tal. Er ließ seinen Blick umherschweifen. Eine Gruppe von Rottannen, zwischen denen plötzlich ein Fuchs aufgetaucht war und Erbrow erschreckt hatte, rauchte noch. Das Brombeergestrüpp dagegen, über dem er einen wundervollen Schmetterlingsschwarm entdeckt hatte, war schon zu Asche zerfallen. Humpelnd machte Yorsch sich auf den Weg zum Lärchenwäldchen. Wenn Erbrow aufwachte und sah, dass er allein war, würde er erschrecken, und eine Menge weiterer Bäume würden in Flammen aufgehen.
Der kleine Drache schlief noch zwischen den Bäumen. Yorsch setzte sich und streichelte ihn. Langsam glitten seine Finger über das weiche, warme, smaragdgrüne Fell. Ein neugeborener Drache wiegt tausendsechshundert Pfund, hieß es in seinem Buch.
Tausendsechshundert Pfund Missgeschick und Zerstörung. Tausendsechshundert Pfund weiches Fell und Zärtlichkeit.
Tausendsechshundert Pfund Katastrophen und Verbrennungen. Tausendsechshundert Pfund glänzende Schuppen und Liebe.
Der kleine Drache erwachte, streckte sich und gähnte einmal so ausgiebig, dass der Wipfel der hundertjährigen Kiefer am Rande der Lichtung zu Asche verglühte.
Dann bemerkte Erbrow den Elfen, sah ihn glücklich an, und vor lauter Freude, ihn wiederzusehen, begann er zu lachen. Yorsch konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Er hatte mittlerweile die Reflexe eines Raubtiers, aber einen Rosmarinstrauch erwischte es und er ging in Flammen auf. Yorsch streichelte den kleinen Drachen immer noch, der fröhlich wedelte. Yorsch und der kleine Drache schmiegten sich dicht aneinander in der Nähe des Rosmarinstrauchs, dessen Feuer die Luft erwärmte und den Nebel golden schimmern ließ. Entzückt sah der Kleine ihn an und der Junge gab ihm ein Küsschen auf die Nase. Es war, wie ein kleines Brüderchen zu haben. Erbrow war selig, sein Wedeln wurde stärker und eine der Lärchen fiel, auf halber Höhe gefällt, zu Boden. Dieses Mal konnte Yorsch ausweichen. Ja, er wurde wirklich geschickt und behände wie eine Raubkatze. Ja, es war tatsächlich, wie ein neugeborenes Brüderchen zu haben. Tausendsechshundert Pfund neugeborenes Brüderchen.
Tausendsechshundert Pfund, und mindestens ein halbes Dutzend davon entfiel auf die Feuerdrüsen.
Er war nicht mehr allein bis zum Horizont, aber zweifellos hatte das Schicksal, oder wenigstens das seine, keinen Sinn für das rechte Maß. Wenn wenigstens der Rücken weniger wehtun würde!
Yorsch holte sein altes, besticktes Säckchen hervor, das er um den Hals trug. Er zog sein Pergament und eine Handvoll goldener Bohnen für den Kleinen heraus. Erbrow war ganz versessen darauf und voller Freude machte er sich still darüber her, verzehrte sie sehr langsam und jede einzeln, wie alle Drachenjungen.
Der Drache hört auf, ein Neugeborenes zu sein, wenn er fliegen lernt. Erst dann nimmt seine grenzenlose Weisheit ihren Anfang, erst dann erlernt er Sprache und Schrift und die Verbindung zwischen seinem Feuer und den Schäden, die es anrichtet ...
»Wenn« und nicht »weil«. Nachdem und infolge. Infolge der Tatsache, dass er fliegen lernt, also nach seinem ersten Flug hört der Drache auf, ein Neugeborenes zu sein. Es gab auch eine Abbildung dazu, die den Vorgang verdeutlichen sollte. Es ist die Erregung des Flugs, zusammen mit den Bewegungen der Rücken- und Brustmuskulatur, wodurch die endgültige Reifung des Drachenhirns ausgelöst wird.
Also musste der Erzieher des Drachen ihm das Fliegen beibringen. Und solange das nicht gelungen war, hielt man sich besser ausreichende Vorräte an Gebirgsarnika.
Das Problem war: wie? Das Fliegen lernt man nur durch Nachahmung.
Yorsch konnte nicht fliegen. Seine ganze Erfahrung in dieser Richtung erstreckte sich auf einen Nachmittag auf der Schaukel. Die erste Idee, auf die er verfiel, war einfach und genial. Er hatte seine Hand auf das Köpfchen des kleinen Drachen gelegt und sich dann mit aller Macht auf einen Schwarm Zaunkönige konzentriert, die über ihnen ihre Kreise zogen. Das hatte nicht funktioniert. Der kleine Drache hatte ein paarmal versucht zu zwitschern
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