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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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verstanden, und es schien, als ob sie die gemischten Gefühle des Schmerzes, der Hoffnung und der Ergebung mit empfänden, die der Gesang hervorrufen sollte.
    Aufgeregt von der Szene, deren Zeuge er gewesen war, und vielleicht infolge der Bewegung seines Innern, leistete der Singmeister Ungewöhnliches. Seine volle, reiche Stimme litt nicht, verglichen mit den sanften Tönen der Mädchen, und seine kunstgerechten Weisen besaßen wenigstens für die Ohren derer, an welche sie sich vornehmlich wandten, das Übergewicht leichteren Verständnisses. Er endete das heilige Lied, wie er es angefangen hatte, mitten unter ernstem feierlichem Schweigen.
    Als jedoch der Schluss des Gesangs in den Ohren seiner Zuhörer verhallt war, verrieten die geheimen, schüchternen Blicke der Augen, und die allgemeine, wenngleich unterdrückte Bewegung unter den Versammelten, dass man von dem Vater der Verstorbenen einige Worte erwartete. Munro schien zu fühlen, dass auch für ihn die Zeit gekommen sei, vielleicht die größte Anstrengung zu machen, deren die Menschennatur fähig ist. Er entblößte sein graues Haupt und schaute fest und mit gefasster Miene auf die ihn umgebende scheue und ruhige Volksmenge. Dann winkte er dem Kundschafter mit der Hand und sprach:
    »Sagt diesen guten, liebreichen Mädchen, dass ein schwacher Greis, dessen Herz gebrochen, ihnen seinen Dank abstatte. Sagt ihnen, dass das Wesen, welches wir alle verehren, wenn auch unter verschiedenen Namen, ihrer Liebe gedenken wird: Dass die Zeit nicht mehr ferne sein kann, wo wir alle ohne Unterschied des Geschlechts, des Ranges oder der Farbe um seinen Thron versammelt sein werden.«
    Der Kundschafter hörte diese Worte, die der Veteran mit zitternder Stimme sprach, aufmerksam an, und schüttelte, als er zu Ende war, langsam das Haupt, als ob er an ihrer Wirksamkeit zweifelte.
    »Ihnen dies mitzuteilen«, sprach er, »hieße soviel, als wenn ich sagte, dass der Schnee nicht im Winter komme, oder die Sonne am wärmsten scheine, wenn die Bäume ihres Laubes bar sind.«
    Er wandte sich zu den Weibern und drückte ihnen Munros Dankbarkeit aus, wie er es der Fassungskraft seiner Zuhörerinnen für am angemessensten hielt. Munros Haupt war wieder auf seine Brust gesunken, und er war nahe daran, sich wieder der früheren Schwermut hinzugeben, da wagte der junge Franzose seinen Ellbogen leicht zu berühren. Sobald er die Aufmerksamkeit des trauernden alten Mannes gewonnen hatte, wies er auf einen Trupp junger Indianer, welche mit einer leichten, aber dichtverschlossenen Sänfte herannahten, und deutete dann aufwärts nach der Sonne.
    »Ich verstehe Sie, mein Herr!«, versetzte Munro im Tone erzwungener Festigkeit, »ich verstehe Sie. Es ist der Wille des Himmels, und ich unterwerfe mich. Cora, mein Kind! Wenn die Gebete eines Vaters, dessen Herz gebrochen ist, dir jetzt helfen könnten, wie selig solltest du sein! – Kommen Sie, meine Herren!« fuhr er fort, mit einer Miene stolzer Fassung um sich blickend, obgleich der Gram, der in seinen gebleichten Zügen bebte, zu gewaltig war, um sich verbergen zu lassen. »Wir haben hier nichts mehr zu tun; lasst uns gehen!«
    Heyward gehorchte gerne dem Rufe, der ihn von einem Orte entfernte, wo, wie er wohl fühlte, seine Selbstbeherrschung ihn jeden Augenblick verlassen konnte. Während seine Begleiter aber zu Pferde stiegen, fand er noch Zeit, dem Kundschafter die Hand zu drücken und ihm ihre Übereinkunft noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, sich wieder bei den Posten des britischen Heeres zu treffen. Dann warf er sich getrost in den Sattel und spornte sein Schlachtross an die Seite der Sänfte, aus welcher ihm ein leichtes, halbunterdrücktes Schluchzen die Gegenwart Alices verkündete. Munro senkte wieder das Haupt auf die Brust: Heyward und David folgten in düsterem Schweigen, von Montcalms Adjutanten und seiner Bedeckung begleitet; so entschwanden alle Weißen, mit Ausnahme Falkenauges, den Augen der Delawaren und waren bald in den endlosen Wäldern des Landes begraben.
    Das Band gemeinschaftlich erlittenen Unglücks aber, welches diese einfachen Waldbewohner mit den Fremden vereinte, die so vorübergehend unter ihnen verweilt hatten, konnte sich nicht so bald lösen. Jahre vergingen, ehe die sagenhafte Überlieferung von dem weißen Mädchen und dem jungen Krieger der Mohikaner aufhörte, den Delawaren lange Nächte und ermüdende Märsche zu verkürzen, oder ihre Jünglinge und ihre Tapferen mit dem Verlangen nach Rache zu

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