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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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erfüllen. Auch diejenigen, welche in diesen bedeutenden Erlebnissen eine weniger hervorragende Rolle gehabt hatten, wurden nicht vergessen. Durch Vermittlung des Kundschafters, welcher noch Jahre nachher eine Art von Mittelglied zwischen ihnen und der zivilisierten Welt bildete, erfuhren sie als Antwort auf ihre Erkundigungen, dass das ›graue Haupt‹ bald zu seinen Vätern versammelt worden sei, darniedergedrückt, wie sie irrig glaubten, durch sein Unglück im Kriege; und dass die ›offene Hand‹ seine überlebende Tochter weit hinweg nach den Niederlassungen der Blassgesichter geführt habe, wo ihre Tränen endlich aufgehört hätten zu fließen, dem lieblichen Lächeln weichend, das ihrer heiteren Natur besser ziemte.
    Doch diese Begebenheiten fallen in eine Zeit, welche außer dem Bereiche unserer Erzählung liegt. Von allen Gefährten seiner Farbe verlassen, kehrte Falkenauge an den Ort zurück, wohin ihn seine Neigungen mit einer Gewalt zogen, wie sie kein bloß eingebildetes Band der Einigung schaffen konnte. Er kam noch eben zurzeit, einen Abschiedsblick auf Uncas Züge zu werfen, den die Delawaren bereits in seine letzten Pelzgewänder hüllten. Sie hielten eine Weile inne, um dem beherzten Weidmann seinen zögernden Blick der Sehnsucht zu gestatten, und der Leib wurde eingehüllt, um nie mehr aufgedeckt zu werden. Dann folgte ein zweiter feierlicher Zug, und die ganze Nation versammelte sich um das vorläufig gewählte Grab des Häuptlings – vorläufig, denn seine Gebeine sollten einst in kommenden Tagen unter denen seines eigenen Volkes ruhen.
    Die allgemeine Übereinstimmung der Gefühle brachte auch hier eine Teilnahme hervor, von der sich niemand ausschloss. Derselbe ernste Ausdruck des Grams, dasselbe strenge Stillschweigen, dieselbe Ehrfurcht gegen den Hauptleidtragenden, die wir bereits einmal zu schildern hatten, war auch um diese Begräbnisstätte zu bemerken. Die Leiche ward in ruhender Stellung niedergelassen, das Gesicht gegen die aufgehende Sonne gerichtet, neben ihm seine Kriegs- und Jagdgeräte, bereit für die letzte große Reise. In dem Sarge, durch welchen der Körper gegen die unmittelbare Berührung der Erde geschützt war, ließ man eine Öffnung, damit der Geist, sofern es nötig wäre, mit seiner irdischen Hülle verkehren könne. Das Ganze ward mit dem den Eingeborenen eigenen Scharfsinne gegen den Instinkt und die Verwüstungen der Raubtiere geschützt. Die Gebräuche, bei denen mehrere tätig zu sein hatten, waren nun zu Ende, und aller Sinn wandte sich wieder dem geistigeren Teile der Feierlichkeiten zu.
    Chingachgook wurde noch einmal der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Er hatte noch nicht gesprochen, und doch erwartete man bei einem so wichtigen Anlasse von einem so berühmten Häuptling etwas Tröstliches und Belehrendes zu hören. Die Wünsche des Volkes erratend, erhob der Krieger, seinen Schmerz bezwingend, das ernste Antlitz, das er zuletzt in sein Gewand verhüllt gehalten hatte, und schaute mit festem Auge um sich. Seine fest zusammengepressten, ausdrucksvollen Lippen öffneten sich, und zum ersten Male während der langen Zeremonie ließ sich seine Stimme deutlich vernehmen.
    »Warum trauern meine Brüder?«, sprach er, auf die dunklen Krieger schauend, die mit niedergeschlagener Miene um ihn standen: »Warum weinen meine Töchter? Weil ein junger Krieger nach den glücklichen Jagdgefilden gegangen ist – weil ein Häuptling seine Zeit mit Ehren erfüllt hat? Er war gut; er war pflichttreu; er war tapfer. Wer kann es leugnen? Manitu hatte einen solchen Krieger nötig, und er hat ihn abgerufen. Was mich betrifft, den Sohn und den Vater eines Uncas, so bin ich eine abgeschälte Fichte in einer Lichtung der Blassgesichter. Mein Geschlecht ist geschieden von den Gestaden des Salzsees und von den Bergen der Delawaren. Aber wer kann sagen, dass die Schlange seines Stammes ihrer Weisheit vergessen hat? Ich bin allein –«
    »Nein, nein«, rief Falkenauge, welcher bisher mit einem Ausdruck der hingehendsten Teilnahme auf die strengen Züge Chingachgooks geschaut hatte, und nun seine gewohnte, bisher nur mit Mühe behauptete Fassung sinken lassen musste, »nein, Sagamore, nicht allein. Unsere Gaben und unsere Farbe mögen verschieden sein; aber Gott hieß uns auf demselben Pfade miteinander wandeln. Ich habe keinen Verwandten, und kann, gleich dir, sagen, ich habe auch kein Volk. Er war dein Sohn und eine Rothaut von Natur; und es mag sein, dass dein Blut

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