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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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auf den Lippen hatte, der sich nie zu schade gewesen war, Roland auf seine Schultern zu nehmen und mit ihm durch den Burghof zu rennen, als sei er ein Streitroß und Roland ein tapferer Krieger, der, wann immer die Mutter übertrieben streng gewesen war, einen Weg fand, die verletzte Kinderseele zu trösten, Ganelon, der jüngere Bruder von Rolands Vater Milan – Ganelon, dessen Gesicht jetzt wächsern war und über dessen Wangen sich Tränenspuren zogen und der sagte: »Herr Jesus, ach Roland, sie sind tot, sie sind beide tot, und es ist meine Schuld … ganz allein meine …«
    Und Roland, das Kind, ließ die Hand seines Onkels los, sein entsetztes Flüstern überwand mühelos die Jahre, ebenso wie das plötzliche Gefühl, dass er vollkommen allein war, weil seine Mutter in ihrem Schmerz unnahbar und sein Onkel Ganelon daran schuld war, dass ihr Herz gebrochen war und Rolands ebenfalls … Das Flüstern eines Kindes, das in eine Erwachsenenseele schneiden kann wie ein glühendes Messer und ihr Wunden zufügt, die nie ganz verheilen. Es schnitt in des erwachsenen Rolands Seele, wie es damals in Ganelons Seele geschnitten haben musste.
    »Ich hasse dich … ich hasse dich … ich hasse dich …«
    Er hieb mit seinen kleinen Fäusten auf Ganelon ein. Dieser wehrte ihn ab, doch Roland drosch weiter zu wie ein Wahnsinniger. Auf einmal saß er auf dem Boden, und seine Wange pochte, weil Ganelon zurückgeschlagen hatte. Er wollte aufspringen und erneut auf seinen Onkel losgehen, doch er schaffte es nicht, auf die Beine zu kommen, und begann zu weinen.
    Tränenblind packte Roland eines der Pferde im Stall von Roncevaux an der Mähne und zerrte es nach draußen. Einer der Frankenkrieger versuchte ihn aufzuhalten. Roland schob ihn von sich ohne hinzusehen. Er zog sich auf den Rücken des Gauls und trieb ihn an. Auf dem Wehrgang stand ein Maurenkrieger und spannte seinen Bogen, zielte auf ihn; es war ihm egal, und er war fast enttäuscht, dass ein Franke neben dem Mauren rasch die Hand auf dessen Arm legte und den Bogen nach unten drückte. Er war ein Versager. Er war schon als kleiner Junge ein Versager gewesen, wenn es darauf ankam.
    Roland, der zukünftige Herr von Roncevaux, floh aus der Burg, die seiner zukünftigen Frau gehörte, und als er weit unten am Fuß des Passes wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war es dieser: König Karl wollte in den Krieg gegen die Mauren ziehen, und er, Roland, würde ihn überreden, dass er es noch dieses Jahr tat, und dann würden die Paladine in die Schlacht reiten, und Roland und Afdza Asdaq würden sich auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen, und Roland würde sich seine Liebe und seine Ehre und die seiner Verlobten zurückholen, und sein gebrochenes Herz würde heilen, und er würde kein Verlierer mehr sein.
    Alles würde wieder gut werden.
    Dennoch fühlte er bei dem Gedanken daran, dass er Afdza töten würde, keinen Triumph, sondern nur eine tiefe Trauer.
    COLONIA AGRIPPINA

    Vor den Mauern von Colonia Agrippina hielt der Bischof der Stadt einen Gottesdienst auf freiem Feld ab. Er hatte vermutlich gedacht, seinem Kollegen Turpin einen Gefallen zu tun, als er ihn in die Messfeierlichkeiten eingebunden hatte, aber Turpin war nur halb bei der Sache. Immer wieder schweiften seine Blicke über die Paladine, die links und rechts von König Karl standen. Ganelon war dabei, mit starrem, bleichem Gesicht; er schien um Jahre gealtert zu sein, seit sie vor acht Tagen aus Patris Brunna aufgebrochen waren. Gerbert de Rosselló zeigte wie immer eine entschlossene Miene. Remi de Vienne schien irgendwie fehl am Platz ohne Roland an seiner Seite. Der junge Mann wirkte immer noch erhitzt. Heute Morgen war er erst mit einem kleinen Kontingent Krieger auf das Heer gestoßen, auf dem Rückweg aus der Bretonischen Mark, wo er in Rolands Namen dessen Anspruch auf die Markgrafschaft bekräftigt hatte. Und hinter den Paladinen und dem König: das fränkische Heer. Schon jetzt war sein Umfang beachtlich. An zwei Wegstationen hatte Karl jeweils über zweihundert Krieger aufgesammelt. Es würden mehr und mehr werden auf dem Weg nach al-Andalus, bis eine entschlossene, waffenstarrende Welle über die Kämme des Pirenéus-Gebirges schwappen und sich in das Reich der Mauren ergießen würde, wo man laut den Versprechungen Styrmis in keiner Weise auf den Angriff vorbereitet war, weil Gott nicht auf der Seite der Heiden stand und sie mit Dummheit geschlagen hatte.
    Wie lange hatten sie nun Frieden

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