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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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begreifen, was er da sah.
    Dann begriff er es.
    Er sah Afdza Asdaq in die Höhe fahren, sein langes dunkles Haar vollkommen zerrauft und wie ein Vorhang vor seinem Gesicht. Arima blinzelte und schreckte dann aus dem Schlaf.
    »Du«, hörte Roland sich sagen. Sein Arm hob sich wie ohne sein Zutun, sein Finger zeigte auf Afdza. Erleichterung und überstandene Angst verwandelten sich in Enttäuschung und dann innerhalb eines Wimpernschlags in tödliche Wut. Sie überschwemmte ihn.
    Afdza war aus dem Bett gesprungen und stand zwischen Roland und Arima, bevor der junge Franke heran war und sein Schwert heben konnte. Ein Teil von Roland dachte fassungslos: Er stellt sich zwischen Arima und mich, als müsse er sie schützen. Als könnte ich ihr etwas antun! Ein anderer Teil von ihm, derjenige, in dessen Herz ein glühendes Schwert steckte und erbarmungslos herumgedreht wurde, dachte: Dabei ist er es, der gleich tot sein wird! Durendal zuckte auf Afdza Asdaq hinab.
    Roland war zu erschöpft, um den Ereignissen einwandfrei folgen zu können. Er sah Durendal davonfliegen, bevor er den Schlag gegen seinen Arm spürte. Er fühlte die Klinge eines maurischen Szimitar an seiner Kehle, bevor er realisierte, dass er auf dem Rücken lag. Er starrte in Afdza Asdaqs eines Auge, bevor der Aufprall auf den Boden die Luft aus seinen Lungen trieb.
    »Nicht!«, hörte er Arima schreien.
    Er dachte: Das kommt mir irgendwie bekannt vor!, und dann: Wir sind noch immer in der Karlsburg und messen unsere Kräfte, und der Schweinehund hat mich schon wieder untergekriegt!, und er dachte: Das zahl ich ihm nachher noch heim, ich lass sein Fleisch versalzen, bis ihm die Zunge aus dem Maul hängt! Und dann wurde ihm klar, dass er hier in Roncevaux war und dass er die Frau, die er liebte, mit dem Mann im Bett erwischt hatte, der beinahe sein bester Freund geworden wäre, und dass die Liebe, die er empfand, bis aufs Äußerste beschmutzt und entehrt worden war.
    Afdza trat zurück und hielt Roland die Hand hin. Roland rollte sich zur Seite und kam ohne Afdzas Hilfe auf die Beine.
    »Du missverstehst hier etwas«, hörte er Afdza sagen, ohne dass er die Worte verstanden hätte.
    Dort in der Ecke lag sein Schwert. Alles in ihm schrie danach, es zu ergreifen und den Kampf erneut aufzunehmen. Und doch hielt ihn etwas zurück, etwas, das ihn immer schon zurückgehalten hatte. Er wusste, dass er den Kampf verlieren würde. In seinem Zustand hätte er nicht einmal einem Ziegenhirten mit einem Stock standhalten können, geschweige denn einem Krieger wie Afdza Asdaq. Es war wie beim Wettkampf mit Puvis de Rosselló, nur dass es diesmal keinen Trick gab, der seine Schwäche in einen Sieg hätte verwandeln können.
    Auf einmal konnte er es nicht mehr in Arimas Schlafkammer aushalten. Ihm war, als hätte man ihm ins Gesicht gespuckt. Er rannte hinaus, fiel mehr als dass er ging die Treppe zum Saal hinunter.
    Er sah eine junge Frau dort sitzen. Die Frau schluchzte. Er sah einen kleinen Jungen hereinkommen. Er wusste, dass er nicht den Saal von Roncevaux vor sich hatte, sondern den seiner väterlichen Burg. Die Vergangenheit war vor seinen Augen lebendig geworden. Die Frau war seine Mutter, Bertha de Laon, der kleine Junge war er selbst.
    »Warum weinst du, Mama?«, fragte der kleine Junge, der Roland war.
    Seine Mutter wandte sich ab.
    »Ist es wegen Papa? Wann kommt er zurück?«
    Bertha gab keine Antwort.
    »Mama? Was ist denn passiert?«
    »Lass mich in Ruhe«, stieß Bertha hervor.
    »Kommen sie zurück? Papa und …?«
    »Nein!«, schrie Bertha. »Nein, sie kommen nicht zurück. Sie kommen nie wieder zurück! Sie sind tot! Sie sind umgebracht worden, und ich werde sie nie, nie, nie wiedersehen!« Bertha ruschte von der Bank, auf der sie gesessen war, krümmte sich auf dem Boden zusammen und heulte wie eine Wölfin.
    Roland rannte aus dem Saal von Roncevaux, so wie er damals aus dem Saal der heimatlichen Burg gerannt war. Draußen schob sich erneut die Erinnerung vor die Realität. Er sah Ganelon de Ponthieu wie erstarrt mitten im Burghof stehen, neben Piligrim, der schon damals wie ein alter Mann auf Roland gewirkt hatte. Piligrim war so schmutzbedeckt wie ein königlicher Kurier, sein Pferd schäumte in großen Flocken und zitterte, und Piligrim selbst schien sich nur mit Mühe auf den Beinen halten zu können. Der kleine Roland lief zu Ganelon und nahm seine Hand.
    »Onkel, was ist passiert?«
    Ganelon schaute zu ihm hinunter. Ganelon, der immer einen Scherz

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