Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
mörderische Abwehrschlacht gegen den ungläubigen Feind aus dem Norden verwickelt sein würden.
Die Franken rückten langsam vor. Sie hatten ihrerseits einen Schildwall gebildet. Afdza wusste, dass Roland irgendwo darin sein würde. Seinen Standort würde er erst ausmachen können, wenn der feindliche Schildwall in eine Keilformation überging, deren Spitze die maurische Abwehrstellung durchbrechen sollte. Roland würde an dieser Spitze sein – der gefährlichste Platz in der fränkischen Angriffsformation. Staub stand über der Masse der Frankenkrieger, der es schwer machte, irgendwelche Einzelheiten zu erkennen. Afdza vermutete, dass Roland seinen Kriegern befohlen hatte, mit den Füßen durch den Sand zu schlurfen, um so viel Staub wie möglich aufzuwirbeln. Die Franken würden husten und mit tränenden Augen in den Kampf gehen, aber die Staubglocke würde sie auch vor gezielten Pfeilschüssen und Speerwürfen schützen.
Das Trommeln besaß einen gleichbleibenden Rhythmus, und das Homn! Homn! begleitete ihn. Durch den Staub waren die bunten Wimpel zu sehen, die an den Standarten der Kriegerscharen flatterten. Die Franken rückten so langsam vor, dass Afdza klar war, Karl hatte den Befehl zum Angriff noch nicht erteilt. Roland benutzte die Atempause vor der Schlacht dennoch, um die Distanz zwischen sich und den Mauren zu verringern. Die Langsamkeit seines Vorrückens täuschte. Afdza hatte sich Geländemerkmale eingeprägt, um die Geschwindigkeit schätzen zu können. Roland machte seine Sache gut. Für einen weniger umsichtigen Feldherrn, der seine Blicke nur auf den feindlichen Schildwall geheftet hatte, musste es scheinen, als kämen die Franken kaum voran. In Wahrheit rückten sie immer näher. Afdza konnte den Staub riechen, den der Feind aufwirbelte. Da und dort blitzten die Reflexe von Sonnenstrahlen, die auf blanke Klingen fielen, durch den Dunst.
Homn! Homn!
Die Trommelschläge vibrierten in Afdzas Leib, und das Stampfen Hunderter fränkischer Stiefel war in seinen eigenen Fußsohlen zu spüren. Die Mitte des feindlichen Schildwalls begann sich zu einer stumpfen Spitze zu formen – der Angriffskeil. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Scharführer der Franken in ihre Hörner stoßen würden und der Angriff begann.
»Ruhig bleiben«, sagte Afdza zu seinen Männern, ohne sich umzudrehen. Dann rief er laut, damit auch die entfernteren Krieger ihn hörten: »Ruhig bleiben!« Die Scharführer gaben den Befehl weiter. Afdza warf einen Blick über die Schulter und nickte seinen Kriegern aufmunternd zu. Seine Gedanken jedoch rasten. Der Beginn der Schlacht war nur noch wenige Augenblicke entfernt. Chlodwig musste mit seiner Mission, den Franken einen Sachsenaufstand einzureden, gescheitert sein. Und er, Afdza, würde nun das Versprechen einlösen müssen, die Franken aufzuhalten. Er wusste, dass es ihm nur gelingen würde, wenn ein Wunder geschah.
Homn! Homn!
Hinter dem heranrückenden Schildwall der Franken warteten die Panzerreiter. Es waren Hunderte, in Gruppen zusammengefasst unter ihren Standarten. Sie waren eine gesichtslose, drohende Masse, bunte Farben und das Schimmern der Kettenpanzer, seltsam unwirklich erscheinend durch den Staubschleier. In den Wall der Franken kam plötzlich Bewegung. Die bunten Schilde bewegten sich, als er sich an der Spitze neu sortierte. Dann trat ein einzelner Krieger hervor und marschierte den anderen voran. Obwohl die Feinde noch gute dreihundert Schritte entfernt waren, brauchte Afdza nicht den schwarz-weißen Schild zu sehen oder dass der Krieger seine Kameraden um einen ganzen Kopf überragte. Er wusste, dass es Roland war; Roland, dem seinerseits klar geworden sein musste, dass der einsam vor seinen Männern stehende maurische Feldherr Afdza war und ihm nicht nachstehen wollte in seiner Demonstration von Tapferkeit.
Übergangslos spürte Afdza eine kochende Wut auf Roland in sich aufsteigen. Er ahnte, worauf Roland es anlegte: auf einen Zweikampf mit Afdza. Für seine Krieger war Roland ihr heldenhafter Anführer, doch Afdza war sicher, dass der junge Franke nicht an die Schlacht dachte, nicht an den Schildwall, nicht an das Kräftemessen zweier Kulturen, sondern einzig und allein daran, dass er in den nächsten Sekunden mit seinem Nebenbuhler kämpfen würde. Afdza straffte sich. All die Wochen hatte er, wenn er an den Zusammenprall zwischen seinem Heer und den Franken dachte, überlegt, wie er Rolands Leben retten konnte. Plötzlich und mit immer noch
Weitere Kostenlose Bücher