Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
vernehmbar, dann galoppierten zwei andere Reiter vor den Schildwall der Franken. Es waren Panzerreiter. Afdza hatte die Franken studiert, so gut er während seines Aufenthalts in Patris Brunna gekonnt hatte; er glaubte, Ganelon de Ponthieu und Bischof Turpin zu erkennen. Sie zügelten ihre Pferde vor Roland. Turpin beugte sich zu dem Anführer der Franken hinab und wechselte ein paar Worte mit ihm. Roland prallte zurück. Von weit hinten, wo die Scara francisca auf ihren Einsatz gewartet hatte, sprengte ein einzelner Reiter heran. Afdza konnte auch ihn identifizieren: Remi de Vienne, Rolands Waffengefährte. Es war klar, dass ihm die Führung der Panzerreiter für diesen Angriff anvertraut gewesen war.
Ganelon richtete sich im Sattel auf. Er trug eine der Standarten mit dem weißen Wimpel. Er hob sie über den Kopf, dann drehte er sie, bis sie waagrecht lag; dann stieß er sie mit dem Wimpel voran in Richtung Boden.
Ein Ruck ging durch den fränkischen Schildwall. Afdza hörte die Centenarii einen Befehl brüllen, der von den Decani wiederholt wurde. Der Befehl lief in Windeseile den Schildwall entlang.
Die Franken senkten ihre Schilde, dann machten sie kehrt.
Karl hatte die Botschaft bekommen, und er hatte sie geglaubt.
Er sah keinen Sinn mehr darin, Hunderte von Männern in einer Schlacht zu verlieren, die plötzlich von zweitrangiger Bedeutung war.
Afdzas Plan hatte funktioniert.
Es würde keinen Kampf geben.
Ungläubig sah Afdza zu, wie die Frankenkrieger sich zurückzogen. Ganelon und Turpin wendeten ihre Pferde. Afdza glaubte zu erkennen, dass Turpin zu ihm herübersah, und wie im Traum hob er seine Hand zum Gruß.
Roland stand da wie vom Donner gerührt, den Schild immer noch in der Linken, den Olifant in der Rechten. Plötzlich ließ er das Horn fallen.
»Nein!«, brüllte er. Sein Blick traf Afdza über die Distanz hinweg wie ein Schlag. »NEEEEEIIIN!«
Er riss das Schwert aus der Scheide und begann zu rennen.
Er rannte direkt auf Afdza und den maurischen Schildwall zu. Und alle Frankenkrieger blieben stehen, drehten sich um und machten sich bereit, ihrem Feldherrn gegen den Befehl ihres Königs in die Schlacht zu folgen.
Afdza wusste zwei Dinge: dass er Roland abfangen und seinen Angriff in einen Zweikampf verwandeln musste, um zu verhindern, dass die Frankenkrieger sich einmischten; und dass er diesen Zweikampf wollte .
Er spürte kaum, dass Chlodwig versuchte, ihn aufzuhalten. Er schleuderte seinen Schild weg und rannte Roland entgegen. Im Laufen zog er sein gekrümmtes Schwert und hielt den Griff mit beiden Händen. In der Mitte zwischen den beiden Heerhaufen prallten die Kontrahenten aufeinander.
Afdza hatte aufgehört zu denken. Er ließ seinen Instinkten freien Lauf. Dass seine Krieger ihn laut brüllend anfeuerten, hörte er nicht. Dass die Franken in ihrem erneuten Angriff zögerten, sah er nicht. Seine Wahrnehmung füllte der Gegner aus. Roland hielt seinen schwarz-weißen Schild dicht vor den Körper. Als sie einander nahe genug gekommen waren, kippte er ihn und hieb mit der Kante nach Afdza, zugleich schwang er seine Spatha. Aber Afdza, der ohne seinen eigenen Schild viel beweglicher war, wich den Hieben aus, wirbelte um Roland herum und trat nach dessen Kniekehle. Roland hatte sich ebenfalls in vollem Schwung auf die andere Seite gedreht und entging dem Tritt. Die Klingen prallten aufeinander. Afdza blickte in Rolands Augen und sah nur blinde Wut darin. Roland griff an, rammte Afdza mit dem Schild, stach mit der Spatha aus der Deckung heraus zu. Afdza parierte beide Attacken nur mit dem Schwert, das er führte, als würde es nichts wiegen, und tatsächlich spürte er das Gewicht der Klinge kaum. Die Anstrengung und der Schmerz würden nachher kommen, wenn der letzte Zorn erloschen war und der leichte Atem des Kämpfers sich in ein schweres Keuchen verwandelt hatte. Er hatte nicht vor, es so weit kommen zu lassen. Er kannte das Handicap seines Gegners. Und als die Frankenkrieger, die von ihren Centenarii und Decani endlich zum Stillstand gebracht worden waren, zu schreien anfingen, wusste er, dass Roland es ab sofort wieder fühlen würde.
»Roland! Roland! Roland!«
Die Furcht, zu verlieren. Die Angst, Hunderte von Kriegern, die ihn verehrten, zu enttäuschen.
»Roland! Roland! Roland!«
Die Panik davor, als Verlierer dazustehen. Sie war größer als die Furcht, bei diesem Kampf zu sterben.
Afdza hielt Rolands Blick fest. Dann lächelte er.
Roland brüllte und griff an. Es
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