Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
sich jetzt wieder ihr Anführer Afdza Asdaq setzte.
Die Krieger wichen zurück, der Schildwall zerbrach. Und aus Jägern wurden Gejagte.
Ein Teil der maurischen Fußkämpfer fasste Mut und formierte sich, obwohl Panzerreiter auf sie zuhielten. Die Panzerreiter drehten vor dem Schildwall mit den nach außen starrenden Lanzen ab, und hinter dem Schildwall sprangen die Bogenschützen auf die Füße. Afdzas Centenarii wandten dieselbe Taktik an, die ihr Feldherr vor Siya zum Einsatz hatte bringen wollen. Die Pfeile sirrten. Afdza hatte seinen Kriegern bei der Vorbereitung für die Verteidigung Siyas eingebläut, wie sie die Paladine von den anderen fränkischen Reitern unterscheiden konnten. Die maurischen Bogenschützen hatten es sich gemerkt. Sie trafen.
Und trafen.
»In der Nacht nach dem Kampf kam der Traum wieder«, sagte Afdza. »Ich stand auf der weiten Ebene, die Toten lagen so da wie immer, der Wind zerrte an mir … Doch dann war plötzlich alles anders. Etwas berührte meinen Fuß. Ich sah nach unten. Jemand hatte das Massaker überlebt. Ein kleiner Junge. Er war über und über voller Blut und umklammerte etwas – ein gespaltenes Hifthorn mit silberner Fassung. Ein toter Krieger lag direkt neben ihm, ein zerborstenes Schwert in der Hand. In seinem Körper steckten mehrere Pfeile, er hatte seinen Helm mit dem langen, schwarzen Pferdeschweif daran verloren, aber sein Gesicht war unversehrt. Es sah so aus, als habe der Krieger versucht, den Jungen bis zuletzt zu schützen. Er trug den üblichen fränkischen Schnauzbart, aber sein Haar war lang … und so schwarz wie meines. Ich hob den Jungen auf und trug ihn zum Teich; ich wusch sein Gesicht ab. Ein Schwerthieb hatte ihn getroffen, seine linke Gesichtshälfte bis zum Knochen aufgeschlitzt und ihm das Auge genommen …«
Afdza spürte der Berührung von Arimas Fingerspitzen nach, die über seine Narbe glitten, nahm ihre Hand, küsste sie.
»Ich blickte in den Teich hinein und sah mein eigenes Gesicht. Es war unversehrt. Und es sah aus wie das von Roland.«
Afdza legte die Hand an Arimas Wange. Sie schmiegte ihre Wange hinein, genauso wie sie es getan hatte neben der Straße bei Patris Brunna, als sie beide gedacht hatten, sie würden sich nie mehr wiedersehen.
»Endlich verstehe ich meinen Traum«, sagte Afdza. »Der tote Krieger ist Milan d’Otun – mein Vater. Der kleine Junge bin ich. Die Geschichte von meinen maurischen Eltern, von der Glasscherbe, die mir das Auge genommen hat … All das war eine Lüge, um mich zu dem zu machen, was ich bin. Das Werkzeug der Rache Suleimans an König Karl!«
Adalric de Gasconha war in Schwierigkeiten.
Er kampierte mit den vasconischen Rebellen und etlichen gascognischen Kriegern, die sich ihm angeschlossen hatten, in einem Waldstück und wartete auf den richtigen Zeitpunkt, um einzugreifen. Dank der ortskundigen Vasconen hatte er sowohl den Rückzug des fränkischen Heers als auch den Vormarsch von Afdzas Kriegern aus sicherem Versteck beobachten können, ebenso wie die Schlacht an der Brücke von Zubiri. Die Brutalität des Kampfes hatte ihn schockiert. Mit der taktischen Urteilsfähigkeit des geborenen Feiglings hatte er erkannt, dass er und sein wilder Haufen aufgerieben worden wären, wenn er sich in diesen Kampf eingemischt hätte. Selbst die Mauren hatten sich schließlich vor den erbarmungslosen Angriffen der fränkischen Panzerreiter zurückziehen und zulassen müssen, dass der größte Teil des fränkischen Trosses über die Brücke gelangt war. Hätte der Anführer der Mauren nicht den Entlastungsangriff auf den Schildwall bei der Brücke geführt, wären die heidnischen Bastarde vermutlich sogar ausgelöscht worden.
Aber das war nicht der Grund für Adalrics Schwierigkeiten. Der Grund war das verdammte Weibsstück, das sein Messer zu fassen bekommen hatte und ihn nun damit bedrohte. Sie sah ganz so aus, als könnte sie damit umgehen, auch wenn sie im Augenblick nackt war. Auf ihrem Körper war ein Muster aus Abschürfungen und blutunterlaufenen Stellen zu sehen. Adalrics Männer hatten sie im Wald überrascht, beim Pilzesammeln, und Adalric hatte sie in sein Zelt gebracht und sein Vergnügen mit ihr gehabt, bis sie an das Messer gekommen war. Verdammt, er hätte die Schlampe besser festbinden sollen!
Vorsichtig bewegte er sich im Kreis, in der Hoffnung, dabei mit dem Rücken zum Zeltausgang zu gelangen und fliehen zu können. »Schön ruhig bleiben«, murmelte er. »Wir können über alles
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