Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
eigentliche Herr der Burg – das bin zufällig ich – demnächst vor seinen Schöpfer treten wird?«
Arima riss sich von Ealhwine los. »Du willst Roncevaux zerstören!«, schrie sie.
Roland musterte sie irritiert. »Was soll der Unsinn?«
»Du hast von Karl den Befehl bekommen, die Burg zu zerstören, damit die Mauren sie nicht haben können! Du und Karl, ihr wollt mir meine Heimat nehmen, ihr wollt alles niederbrennen, was ich bin, was mich ausmacht!«
»Ich habe keinen Befehl, Roncevaux zu zerstören«, sagte Roland hilflos. »Und ich würde es auch niemals tun, selbst wenn ein Wunder geschähe und wir hier alle lebend herauskämen.«
Afdza sagte langsam: »Ich habe selbst von diesem Befehl gehört.«
»Von wem?«
Afdza sah sich um. »Hast du ein Zelt, wo wir ungestört reden können?« Arima wurde erneut bange, als sie den ungewohnten Ernst in Afdzas Stimme hörte.
»Ja. Aber ich möchte Turpin zu diesem Gespräch mitnehmen.«
»Nein, nein, mein Junge«, sagte Turpin. »Dies wird ein Gespräch, das nur euch drei etwas angeht. Außerdem haben dieser Gelehrte dort und ich etwas zu bereden. Ich habe mir eine Totenrede für mich selbst ausgedacht, und er soll die Fehler ausmerzen, die mir dabei unterlaufen sind.«
»Ich fange damit an, dir endlich meinen Namen beizubringen«, erwiderte Ealhwine. Arima hörte die Bewegung in seiner Stimme.
Roland bat sie in sein Zelt. Es hatte keine Möbel, das Lager war nur ein Bündel Decken in einer Ecke. Sie setzten sich auf den Boden.
Afdza blickte Roland ernst an und sagte dann langsam: »Die Geschichte mit dem Befehl, Roncevaux zu zerstören, hat mir deine Mutter erzählt, aber sie hat mich angelogen, weil sie nicht wusste, wen sie vor sich hatte – wer ich bin. Ich wusste es bis vor wenigen Stunden selbst nicht. Hör zu, was Arima zu erzählen hat. Sie wird nicht lügen.«
Und so erzählte Arima die Geschichte, die sie und Ealhwine sich aus den Dokumenten der Mönche im Kloster am Fuß des Passes zusammengereimt hatten und die von Piligrim de Vienne und Ganelon de Ponthieu bestätigt worden war. Es war die Geschichte von zwei kleinen Jungen, einer sechs, einer acht Jahre alt, die sich für Brüder hielten und die ein fränkischer Comes namens Milan d’Otun als seine Kinder erachtete. Dabei war nur einer von ihnen sein leiblicher Sohn: Balduin, der ältere der beiden. Der jüngere, Roland, war in Wahrheit der Sohn seines Bruders Ganelon de Ponthieu, doch Milan d’Otun ahnte nichts davon, da weder die Mutter der beiden Jungen, Bertha de Laon, seine Ehefrau, noch sein eigener Bruder Ganelon es ihm jemals gestanden hatten.
Arima erzählte Roland vom Verrat, den Karl ohne das Wissen seines Vaters Pippin an Suleiman ibn al-Arabi beging, als dieser die Franken um Hilfe gebeten hatte. Sie erzählte von der Mission, die Karl heimlich zusammengestellt und seinem Schwager Milan d’Otun übertragen hatte, eine Mission, für die nur die jungen Edelleute ausgesucht wurden, die Karl zu seinem engsten Freundeskreis zählte. Auch ein Mann namens Piligrim de Vienne war darunter.
Milan brach mit seinen Männern von seinem Gut aus auf. Er wusste nicht, dass sich in einem der Wagen, in denen Proviant, Ausrüstung und Geschenke transportiert wurden, ein Mitreisender eingeschmuggelt hatte: Balduin, Milans achtjähriger Sohn. Es dauerte eine Weile, bis man ihn schließlich entdeckte.
In Balduins Alter wurden die meisten Söhne fränkischer Adliger zu einem Verbündeten oder einem höhergestellten Verwandten gegeben, um die Verbindung zwischen befreundeten Familien zu stärken. Balduin würde das heimatliche Gut ohnehin bald verlassen; da schadete es in Milans Augen nichts, wenn er vorher seinen Vater auf eine Mission begleitete und dabei ein wenig Schliff erhielt.
Vielleicht ahnte Milan längst, dass zu Hause nicht alles so war, wie es sein sollte, und dass seine Frau und sein Bruder nicht nur schwägerliche Gefühle füreinander empfanden. Möglicherweise meinte er, dass es Bertha ganz recht geschehe, wenn sie sich eine Weile um ihren älteren Sohn sorgte. Jedenfalls sandte er ihr erst einen Boten mit der Nachricht, dass Balduin bei ihm sei, als seine Truppe die letzte größere Ansiedlung vor den Bergen schon erreicht hatte. Seine Wahl fiel auf Piligrim, denn der war sein bester Freund und außerdem der schnellste Reiter von allen.
Ganelon de Ponthieu war der Einzige an Milans Hof, der wusste, was Balduin getan hatte. Der Junge hatte sich ihm anvertraut, und Ganelon hatte
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