Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
reden.«
Das Mädchen sagte nichts. Sie stierte ihn nur an, und in ihren Augen war ein einziger Wunsch zu lesen: Adalric tot zu sehen und ihn vorher möglichst lange leiden zu lassen. Sie erkannte seine Absicht und blieb stehen, den Zeltausgang hinter sich. Nun war der Fluchtweg blockiert. Adalric räusperte sich und schluckte.
Plötzlich betrat jemand das Zelt, packte das nackte Mädchen von hinten und entwand ihr das Messer. Sie strampelte und keuchte. Adalric seufzte erleichert. Der Neuankömmling war einer der vasconischen Anführer, der sich mit seinen Gefolgsleuten zu Adalric gesellt hatte.
Der Vascone musterte das Mädchen und verzog das Gesicht.
»Sie wollte mich abstechen, das Miststück«, erklärte Adalric in Verkennung der Situation.
Der Vascone schenkte Adalric einen Blick, der diesem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dann sagte er irgendetwas in ihrer gemeinsamen Sprache zu dem Mädchen, das zu weinen begann und auf Adalric deutete. Der Vascone schnaubte und wies auf eine zerknüllte Tunika. Sie streifte sie über und wollte aus dem Zelt schlüpfen. Der Vascone hielt sie auf.
»Du hast vergessen zu bezahlen«, sagte er zu Adalric.
Adalric verschränkte die Arme und lehnte sich lässig an den Zeltpfosten. »Sie kann das Messer behalten«, sagte er großzügig.
Der Vascone wog das Messer, dann machte er eine schnelle Bewegung, und das Messer erzitterte dicht neben Adalrics Ohr im Zeltpfosten. »Gütiger Himmel«, flüsterte Adalric und schielte auf den nachzitternden Griff.
»Schlecht ausgewogen«, sagte der Vascone. »Ich habe daneben getroffen. Wenn ich gewusst hätte, was für dich Vergnügen bedeutet, hätte ich das Mädchen wieder freigelassen. Solltest du noch ein einziges Mal eine Frau aus meinem Volk auch nur anfassen, werfe ich ein Messer, das besser trifft.«
Wenig später zog das geschundene Mädchen ab, mit einer Handvoll Münzen aus Adalrics Beutel und seine sämtlichen Nachkommen bis auf den Jüngsten Tag verfluchend. Adalric fand, dass es am besten war so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
»Gibt es was Neues von deinen Männern, die die Franken überwachen?«, fragte er den Vasconen.
»Deshalb bin ich gekommen. Die Mauren haben den eingeschlossenen Franken erneut Friedensgespräche angeboten. Unter meinen Männern ist der Unmut groß. Die Franken haben Iruña erobert und zerstört. Sie haben keine Gnade verdient.«
Adalric überlegte. Er hatte eine Idee. »Den Franken und den Mauren ist immer noch nicht klar, dass wir hier sind, oder?«
»Davon ist auszugehen.«
»Und bei einem erneuten Friedensgespräch wird die Aufmerksamkeit der Franken nachlassen, weil sie ja glauben, dass die Mauren die einzigen Feinde hier sind.«
»Du willst sie während der Gespräche überfallen? Das ist ehrlos.«
»Willst du deine Rache, Vascone, oder willst du die alten Weiber am Feuer über dich sagen hören, dass du dich zwar ehrenvoll verhalten hast, aber dir deswegen die Franken entkommen sind?«
Der Vascone sah Adalric nachdenklich an.
»Na also«, sagte Adalric.
Der Weg, den Arima, Afdza und Ealhwine unter dem Schutz der Parlamentärsflagge ins Lager von Rolands Kriegern hinein nahmen, ließ Arima ganz elend ums Herz werden. Auch hier waren Männer dabei, ihre Waffen zu schärfen, ihre Wunden zu verbinden und ihre Toten zu bestatten; auch hier herrschte nicht Kampfeslust, sondern Niedergeschlagenheit. Sie fragte sich, was geschehen würde, wenn man zwei Heere, die einander gerade noch bekämpft hatten, nicht in getrennten Lagern, sondern gemeinsam rasten lassen würde. Und dafür sorgte, dass die Krieger miteinander ins Gespräch kamen. Würden sie erkennen, dass sie eigentlich Brüder waren, die dieselben Schmerzen, dieselben Ängste und dieselbe Erschöpfung teilten? Würde man sie überhaupt auseinanderhalten können?
Die Franken beobachteten ihren Weg. Sie hatten Bäume gefällt, Erdhaufen aufgeworfen und Felsbrocken zusammengerollt, um sich Deckungen zu verschaffen. Der schmale Pfad, der sich einen steilen Hang entlang ins Tal wand, war an mindestens einem Dutzend Stellen durch Baumstämme blockiert. An der anderen Seite des Pfads fiel das Geländer für eine lange Strecke fast senkrecht zum Fluss hinunter ab.
»Die kriegst du hier nie raus, Maure«, sagte Ealhwine leise. »Und wenn du deine Krieger hier reinschickst, wird es ein Gemetzel. Du hast verloren. Roland braucht nur zu warten, bis das Hauptheer umgekehrt ist und hier wieder eintrifft.«
»Das Hauptheer weiß
Weitere Kostenlose Bücher