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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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schüttelte den Kopf, aber er zog Roland in die Höhe. Roland biss die Zähne zusammen. Er hoffte, dass er sich nicht schwerer verletzt hatte, aber er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, um den Zweikampf zu gewinnen. Immer treu der Devise: Wenn man keine Chance hatte, musste man den Einsatz verdoppeln …
    »Mein Onkel hat doch ein halbes Dutzend Ärzte dabei«, ächzte Roland, während er zum hinteren Eingang des Palas humpelte. »Und wie üblich lässt er keinen an sich heran. Die Burschen langweilen sich zu Tode. Versuch einen von ihnen aufzutreiben, er soll sich das mal ansehen, wenn ich von Karl zurück bin. Wenn ich dann noch lebe«, fügte er hinzu.
    »Du bist verrückt«, sagte Remi zum dritten Mal.
    Roland tätschelte ihm die Wange. »Und sag dem Arzt, er soll eine Dienstmagd mitbringen, die es nicht so genau nimmt mit der Keuschheit. Wenn der Kerl an mir rumdrückt, brauch ich was, um mich dran festzuhalten.«
    Remi grinste. »Zwei Mägde«, sagte er. »Glaubst du, ich lass dich mit dem Bauchaufschneider allein?«
    Roland lächelte. Remi gab ihm einen leichten Stoß gegen den Arm und machte sich an seine Mission. Roland atmete tief durch. So, wie niemand ahnte, dass er all die Zweikämpfe und Herausforderungen im Grunde seines Herzens hasste, so wusste auch niemand, nicht einmal Remi, wie wenig ihm die beiläufigen Geschlechtsakte mit Sklavinnen und unfreien Mägden im Grunde bedeuteten.
    Zwar galt Roland unter den Frauen als erfindungsreicher und bevorzugter Liebhaber – wenn sie sich schon hingeben mussten, dann am liebsten ihm. Doch nicht einmal die Frauen in seinem Bett hatten eine Ahnung, dass Roland noch in einem Gerammel im Stehen im Pferdestall verzweifelt nach der Zärtlichkeit und Innigkeit suchte, die er schon sein ganzes Leben lang vermisste.
    Roland schleppte sich in den Palas, hin zu seinem Onkel. Nur zwei Menschen gab es auf der Welt, deren Liebe er sich vollkommen sicher war. Der eine war sein Freund und Waffenbruder Remi de Vienne, der andere König Karl … und in diese Aufzählung war Rolands Mutter, Bertha de Laon, eingerechnet.

    Wie in jeder Aula regia stand auch in derjenigen in Patris Brunna ein Thronstuhl für den König. Es war ein schmuckloser Sitz mit Seiten- und Rückenlehne, von eisernen Klammern zusammengehalten. Das Besondere war seine erhöhte Platzierung. Er ruhte auf vier wuchtigen Pfosten, sechs Stufen führten zu ihm hinauf. Wenn Karl, der manche seiner Untertanen selbst im Sitzen noch überragte, darauf saß, wirkte er wie ein thronender Riese. Die Anführer von Völkern, die sich ihm unterwarfen, aber auch Bittsteller und Menschen, die Gnadengesuche vorbrachten, pflegten öffentlich zwischen den Pfosten unter dem Sitz hindurchzukriechen, um die absolute Macht des Königs über sie zu demonstrieren. Es gab nur einen, dem sich der König unterordnete, und die Symbolik der Thronplatzierung drückte auch dies aus: Der Sitz stand im Westteil der Aula und war nach Osten ausgerichtet, von wo eines Tages Christus der Erlöser kommen und aller weltlichen Herrschaft ein Ende bereiten würde.
    Jetzt saß Karl nicht auf dem Thron, sondern auf einer der Stufen, die zu ihm hinaufführten. Er hatte den Kopf in die Hände gestützt und seufzte. »Ich hab mich wieder mal überreden lassen von dem Jungen, oder?«
    Drei Männer standen neben dem Thron: Zwei der Paladine König Karls – Turpin Uí Néill, der fränkisch-irische Bischof von Reims, und Piligrim, ein alter Haudegen – und der Abt des Klosters Fulda, Styrmi. Styrmi war ein steinalter Mann, der in jungen Jahren ein enger Vertrauter des Missionars Wynfreth Bonifatius gewesen war und deshalb unter den christlichen Franken andächtige Verehrung genoss.
    Karl verehrte Styrmi nicht weniger, als seine Untertanen dies taten, und unterstützte ihn in jeder Hinsicht. Der Einfluss der irischen Kirche, der unter anderem Bischof Turpin anhing, war seitdem merkbar geschwunden zugunsten der benediktinisch-römischen Lehre. Die Iren, die sich auf den Begründer ihrer Mönchsmission, Patricius, beriefen, waren der Ansicht, dass die Kirche in der Gesellschaft verwurzelt sein müsse, dass die Klöster lediglich geistige Zentren seien und dass es keiner Zentralgewalt bedürfe – wenn eine übergreifende Entscheidung gefällt werden musste, suchten die Äbte der Klöster diese in gemeinsamer Abstimmung. Es lag auf der Hand, dass eine streng hierarchische Gesellschaft wie die der Franken eine solche Gewaltenteilung ablehnen musste.

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