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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Bei den Franken wie in der römischen Kirche ging alle Macht von dem Mann an der Spitze aus. Das passte in das Weltbild Styrmis. Als treuer Schüler des Bonifatius vertrat er dessen Ansicht, dass Rom das Zentrum der christlichen Welt sei.
    Und mit Sicherheit, dachte Bischof Turpin im Stillen, würde er am liebsten die Papstkirche ganz aus der Herrschaft des Königs lösen. Und das würde den christlichen Glauben nachhaltiger schwächen, als alle vorangegangenen Schismen wegen der Gnostiker, der Donatisten oder der Arianer es je vermocht hatten. Doch Turpin hütete sich, etwas gegen den alten Mann zu sagen.
    Der Bischof besaß die drahtige, dunkle Gestalt seiner irischen Vorfahren und den Jähzorn seiner fränkischen Blutlinie. Wenn er in seiner Kirche in Reims predigte, war diese regelmäßig voll bis zum letzten Platz, da er sich gern zu farbigen Vergleichen hinreißen ließ und die Gemeinde jedes Mal atemlos auf einen neuen unvergesslichen Ausspruch des Bischofs wartete.
    Berühmt war eine Ostermesse geworden, in der er sich in Rage über Petrus’ Eingreifen auf dem Ölberg geredet hatte, als die Soldaten Jesus verhafteten. »Das Ohr hat er einem Soldaten abgehauen, dieser Narr!«, hatte Turpin fassungslos geschrien. »Das Ohr! Die Eier hätte er ihm abhauen sollen, das hätte ihnen zu denken gegeben, den verdammten Römern! Ah, ich hätte an Petrus’ Stelle sein sollen, ich hätte ihnen allen die Eier mit bloßen Händen ausgerissen und sie ihnen um den Hals gehängt und sie mit Fußtritten aus dem Garten Gethsemane gejagt, damit sie merken, dass man sich nicht so einfach des Herrn Jesus bemächtigen kann …!«
    Es spricht für den König, dachte Turpin jetzt, dass er mich trotz meines Konflikts mit Styrmi und seinesgleichen akzeptiert. Und nicht nur als Bischof einer seiner bedeutendsten Städte, sondern auch als Paladin.
    Für dieses Vertrauen würde er, Turpin, einiges auf sich nehmen und sogar das Geschwätz des greisen Styrmi ertragen, der noch die Frage, wie herum man einen Batzen Fleisch in den Kessel fallen lassen sollte, in eine Philosophie über die selige Allmacht Roms verwandeln konnte.
    Turpin fing einen Seitenblick Piligrims auf. Wie alle Paladine brauchten die beiden Männer nicht viel, um sich miteinander zu verständigen. Sie nickten einander zu, während der Abt von Fulda dem König weiter ins Gewissen redete.
    »… der junge Krieger«, leierte Styrmi, »hätte seinen Willen nicht haben sollen, o König, weil er lernen muss, dass kein Sterblicher es wagen darf, Entscheidungen des Herrschers vorwegzunehmen. So wie niemand die Entscheidungen des Herrn Jesus Christus vorwegnehmen darf oder seines Stellvertreters auf Erden, des Heiligen Vaters in Rom. Deine jungen Krieger müssen den Gehorsam lernen, o König, den Gehorsam gegenüber der Kirche in Rom und natürlich gegenüber deinem Gesetz, das wiederum im Namen des Herrn Jesus Christus und …«
    »Also gut«, unterbrach Turpin. »Ich geh und sage es ihm.«
    Karl blickte auf. Styrmis Sermon kam zu einem beleidigten Halt.
    Piligrim schüttelte den Kopf. » Ich sage es ihm. Ich kenne ihn schon länger als du.« Der Einwand wirkte vollkommen natürlich und keineswegs wie mit dem kurzen Blickwechsel zuvor vereinbart.
    »Schon, aber ich kann ihm geistlichen Trost spenden, wenn er sich zu sehr aufregt«, erklärte Turpin.
    Styrmi schnappte empört nach Luft.
    Piligrim gab sich nachdenklich. »Aber wenn er sich so sehr aufregt, dass er sein Schwert zieht? Was machst du dann?«
    »Dann schlag ich ihm die Zähne ein, bevor er es ganz heraußen hat. Wäre nicht das erste Mal.«
    »Ehrwürdiger Vater, ich bin schockiert über so eine Rede«, sagte Piligrim vergnügt.
    Karl erhob sich mit einem Ruck. »Was plappert ihr da?«, stieß er hervor. » Wenn einer zu Gerbert geht und ihm sagt, dass ich seine Aufgabe als königlicher Mundschenk heute Abend seinem kleinen Bruder Puvis anvertraut habe, dann bin ich das. Keine Widerrede.«
    »Wie du meinst, Herr«, sagten Turpin und Piligrim gleichzeitig.
    »O König«, sagte Styrmi, »ich dachte, ich hätte dir klargemacht, dass es nicht gut ist, wenn du der Laune des jungen Roland nachgibst, noch dazu, wo es sich dabei um einen Trick handelt, mit dem er den rechtmäßigen Sieg im Wettkampf seinem Gegner …«
    »Ich dachte, ich hätte gehört, dass der König …«, begann Turpin.
    »… ausdrücklich sagte: Keine Widerrede!«, vollendete Piligrim.
    Karl blickte zwischen seinen beiden Paladinen hin und her.

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