Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
haben, neues Gewicht«, erklärte Styrmi.
Die drei Männer sahen ihn überrascht an.
Styrmi lächelte erneut. »Dein eigener Neffe, o König, gerät ständig in Schwierigkeiten, weil die anderen Krieger ihn unablässig herausfordern. Wenn er gewinnt, stiftet er damit Unfrieden; wenn er verliert, bereitet er dir Schande. Ernenne Roland zu einem der Paladine, o König, und die Herausforderungen haben ein Ende.«
Turpin blieb der Mund offen stehen. Das war schlau und pragmatisch gedacht. Er hatte die alte Eidechse offenbar gründlich unterschätzt! Und Styrmi setzte noch einen obendrauf: »Außer Roland ernenne noch Otker de Aregaua und Beggo de Septimània, o König. Im Aargau sind deine Untertanen aufsässig – mit Otker als einem der ihren als Paladin würdest du sie an deinen Thron binden. Und Septimània grenzt an das Herzogtum der Gascogner, deren Loyalität du dir auch nicht völlig sicher sein kannst. Wäre der Dux von Septimània ein Paladin, würden die Gascogner deutlich mehr Furcht vor dir zeigen.«
»Du hast dir das alles ganz genau überlegt, nicht wahr?«, stieß Turpin hervor.
»Was hast du dagegen, Turpin?«, fragte Karl. »Und du, Piligrim? Gibt es gegen die Männer etwas einzuwenden? Wären sie eures Kreises nicht würdig?«
»Es gibt gar nichts einzuwenden!«, gab Turpin schmallippig zurück. Styrmi hatte ihn übertölpelt, und man sah ihm an, dass er es genoss, dieses alte Reptil! »Otker und Beggo wären eine Zierde, und jeder von uns wird dir das Gleiche sagen. Sie sind mutig, edel, treu und furchterregende Krieger. Wäre der Vorschlag von einem von uns gekommen, hätten wir die gleichen Namen genannt! Aber es ist nicht einzusehen, warum die Zahl Neun plötzlich weniger gelten soll …«
»Du hast noch nichts zum Neffen unseres Königs gesagt, ehrwürdiger Vater«, hakte Styrmi mit gespielter Unschuld nach.
Turpin fletschte die Zähne, während auf Styrmis Zügen ein maliziöses Lächeln spielte.
»Roland …«, begann Turpin zögerlich. Dann brach es aus ihm heraus: »Roland ist der beste von all deinen Kriegern, Herr, uns neun eingeschlossen. Aber ihm ist es zu wichtig, zu gewinnen; er fürchtet nichts mehr als die Niederlage. Ein Krieger muss sich dem Geschmack des Versagens stellen, wenn er auf lange Sicht gewinnen will! Es ist kein Sieg möglich ohne Niederlage; ein Krieger kann keine Entscheidung fällen, wenn er sich zu sehr davor fürchtet, dass es die falsche sein könnte.«
»Du denkst, er braucht noch ein paar Jahre, um reif zu werden, Turpin?«, fragte Karl.
»Mit Verlaub, Herr – ich denke nicht, dass er jemals diese Reife bekommen wird. Dazu hätte seine Kindheit eine andere sein müssen! Deine Schwester, Herr, hat verhindert, dass aus dem Jungen jemals etwas Großes werden kann.«
»Sehr offene Worte, mein Lieber«, sagte Karl.
»Wie ich schon sagte – ein Krieger kann auch nicht sprechen, wenn er ständig davor Angst hat, das Falsche zu sagen.«
Karl lächelte. »Vielleicht würde die Liebe und Entschlossenheit einer Frau ihn auf den rechten Pfad bringen?«
»Willst du den Jungen etwa verheiraten, Herr?«, fragte Piligrim mit hörbarem Widerwillen in der Stimme. Piligrim war der einzige Mann, den Turpin kannte, dem weder Krankheit noch Überfall, weder Kindbettfieber noch sonst eine Katastrophe jemals die Ehefrau genommen hatte. Die Frau, die er vor gefühlten tausend Jahren geheiratet hatte, war immer noch an seiner Seite, und Piligrim wurde nicht müde, im trauten Kreis der Paladine dieses Schicksal zu beklagen. Dabei war herauszuhören, dass er sie eigentlich schätzte; das Problem war nur, dass sie all seine Marotten, seine Ausflüchte, seine Eigenheiten mittlerweile so gut kannte wie er selbst und außerdem kein bisschen davon beeindruckt war, dass er zu den Paladinen gehörte. Ihre lange Vertrautheit ließ ihm keinen Raum, sich aufzublasen, und welcher Mann blies sich nicht gern auf, wenn er einer Frau imponieren wollte, selbst wenn es die Frau war, zu der er seit Jahrzehnten abends ins Bett schlüpfte?
»Wen hast du für ihn ausgesucht?«, fragte Turpin.
»Die Herrin von Roncevaux«, stieß Styrmi hervor, noch bevor der König antworten konnte.
Turpin glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«, japste er.
Karl nickte. »Styrmi hat mir dazu geraten, und ich halte es für eine gute Idee.«
Turpin wurde bewusst, dass Styrmi mehr Zeit allein mit dem König verbracht haben musste, als er je geahnt hatte. Er wollte erneut wütend werden, aber statt
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