Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
aufgefordert, hierzu bleiben. »Oh, Ms. Eddes? Noch eins. Was wollten Sie heute früh beim McDonald’s, als die Leiche entdeckt wurde?«
Nach meiner unerfahrenen Einschätzung bringt diese Frage Ms. Eddes ein wenig aus der Fassung – sie wendet den Blick ab, und ein Hauch Röte tanzt über ihre Wangen –, aber dann reißt sie sich zusammen, lächelt und sagt: »Was ich da wollte? Da gehe ich immer hin.«
»Zum McDonald’s auf der Main Street?«
»Fast jeden Morgen. Klar. Einen Kaffee trinken.«
»In der näheren Umgebung des Büros gibt’s eine Menge Läden, wo man Kaffee trinken kann.«
»Die haben guten Kaffee.«
»Und warum sind Sie dann nicht reingekommen?«
»Weil … weil ich im letzten Moment bemerkt habe, dass ich mein Portemonnaie vergessen hatte.«
Ich verschränke die Arme und richte mich zu meiner vollen Größe auf. »Ist das wirklich wahr, Ms. Eddes?«
Sie verschränkt ebenfalls die Arme, ahmt meine Haltung nach und hebt den Kopf, um mir in die Augen zu sehen. »Ist es wirklich wahr, dass dies eine Routineuntersuchung ist?«
Und dann schaue ich ihr nach, als sie hinausgeht.
»Es geht um den Kurzen, richtig?«
»Verzeihung?«
Der alte Wachmann ist genau an derselben Stelle, wo ich ihn zurückgelassen habe, sein Stuhl ist noch immer zu den Fahrstühlen gedreht, als wäre er in dieser Position eingefroren und hätte die ganze Zeit so gewartet, während ich oben gearbeitet habe.
»Der Bursche, der gestorben ist. Sie haben gesagt, Sie wollten wegen eines Mordes rauf zu Merrimack Life.«
»Ich habe gesagt, ich untersuche einen verdächtigen Todesfall.«
»Meinetwegen. Aber es ist der Kurze? Der nervöse Kleine? Der mit der Brille?«
»Ja. Er hieß Peter Zell. Kennen Sie ihn?«
»Nee. Aber ich kenne natürlich alle, die im Haus arbeiten, vom Hallosagen. Sie sind also ein Cop?«
»Ein Detective.«
Das ledrige Gesicht des Alten verzieht sich für einen Sekundenbruchteil zum entfernten, traurigen Verwandten eines Lächelns. »Ich war in der Air Force. Vietnam. Als ich heimkam, wollte ich ’ne Zeit lang Cop werden.«
»Hey«, sage ich und antworte rein mechanisch mit der sinnfreien Phrase, die Vater immer von sich gegeben hat, wenn er mit irgendeiner Form von Pessimismus oder Resignation konfrontiert war. »Es ist nie zu spät.«
»Mhm.« Der Wachmann hustet heiser und rückt seine zerbeulte Mütze zurecht. »Doch, ist es.«
Ein paar Sekunden verstreichen in der trostlosen Lobby, dann sagt der Wachmann: »Also, gestern Abend ist der kleine Kerl nach der Arbeit von jemandem in einem roten Pick-up abgeholt worden.«
»In einem Pick-up? Fuhr der mit Benzin?«
Niemand hat Benzin, außer den Cops und der Army. Anfang November hat die OPEC den Ölhahn zugedreht, die Kanadier haben es ihnen ein paar Wochen später nachgemacht, und das war’s. Am 15. Januar hat das Energieministerium die strategische Erdölreserve freigegeben und strikte Preiskontrollen erlassen. Daraufhin hatte jeder Benzin für ungefähr neun Tage und dann keins mehr.
»Nicht mit Benzin«, sagt der Wachmann. »Mit Speiseöl, nach dem Geruch zu urteilen.«
Ich nicke aufgeregt, trete einen Schritt vor, glätte meinen Schnurrbart mit dem Handballen. »Ist Mr. Zell freiwillig oder unfreiwillig in den Pick-up gestiegen?«
»Na ja, niemand hat ihn reingestoßen, falls Sie das meinen. Und ich hab auch keine Kanone oder so was gesehen.«
Ich hole mein Notizbuch hervor und drücke die Mine des Kulis heraus. »Wie sah der Wagen aus?«
»Es war ein getunter Ford, ein altes Modell. Achtzehnzöller von Goodyear, keine Ketten. Hinten ist Rauch rausgequollen, wissen Sie, dieser eklige Rauch von Pflanzenölkraftstoff.«
»Okay. Haben Sie das Nummernschild gesehen?«
»Nein.«
»Und der Fahrer – wie sah der aus?«
»Hab ich nicht drauf geachtet. Wusste ja nicht, dass es wichtig sein würde.« Der Alte blinzelt – verwirrt, glaube ich, von meinem Feuereifer. »Er war aber ein echter Brocken. Da bin ich ziemlich sicher. Stämmig, würde ich sagen.«
Ich nicke und schreibe schnell. »Und Sie sind sicher, dass es ein roter Pick-up war?«
»War es. Ein roter Pick-up mittlerer Größe mit normaler Ladefläche. Und auf der Fahrerseite war eine große Fahne draufgesprüht.«
»Was für eine Fahne?«
»Was für eine? Die der Vereinigten Staaten«, sagt er misstrauisch, als wäre er nicht bereit, die Existenz irgendeiner anderen anzuerkennen.
Ich schreibe eine Minute lang schweigend, schneller und schneller, der Kuli kratzt in der
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