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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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männlich, fünfundfünfzig Jahre alt.« Pauls unverwandter, aber distanzierter, desinteressierter Blick bringt mich aus der Fassung, ebenso wie die stumme Präsenz des Chiefs. »Mr. Shepherd war mein Pfadfinderführer, als ich noch klein war. Und er war Elektrikermeister in Penacook, aber soweit ich weiß, hat er schwere Zeiten durchgemacht. Wegen der Rezession.«
    »Offiziell«, sagt Paul leise, »ist es eine Depression, glaube ich.«
    »Ja, Ma’am.«
    Lieutenant Paul schaut wieder auf den Bericht. Sie sieht erschöpft aus.
    Dieses Gespräch findet Anfang Dezember statt, tief in den kalten Monaten der Ungewissheit. Am 17. September ist der Asteroid in Konjunktion gegangen, ist zu nah an die Sonne herangekommen, als dass man ihn weiter beobachten und neue Daten über ihn hätte gewinnen können. Deshalb verharrte das Einschlagsrisiko, das seit April langsam, aber stetig in die Höhe geklettert war – drei Prozent, zehn Prozent, fünfzehn –, im Spätherbst und frühen Winter bei dreiundfünfzig Prozent. Die Weltwirtschaft ging weiter auf Talfahrt. Am 12. Oktober hielt der Präsident es für angebracht, die erste Runde der SSVE -Gesetze zu unterzeichnen und damit den Zustrom von Bundesmitteln an die Ordnungsmächte der Staaten und Kommunen zu autorisieren. In Concord hatte das zur Folge, dass all diese Kids, die jünger waren als ich und zum Teil die Highschool abgebrochen hatten, in aller Eile durch eine Art Quasi-Polizeischulen-Ausbildungslager geschleust wurden. McConnell und ich nennen sie insgeheim die Mecki-Mäuse, weil sie anscheinend alle dieselbe Kurzhaarfrisur, dasselbe Milchgesicht, dieselben kalten Augen und dasselbe großspurige Auftreten haben.
    In Wahrheit war die Sache mit Mr. Shepherd nicht mei n erster Zusammenstoß mit meinen neuen Kollegen.
    Der Chief räuspert sich, und Paul lehnt sich zurück, froh darüber, dass er jetzt übernimmt. »Hören Sie, mein Sohn. Es gibt keinen Menschen in diesem Gebäude, der Sie nicht hier haben will. Wir haben Sie voller Stolz im Streifendienst willkommen geheißen, und wären nicht die gegenwärtigen ungewöhnlichen Umstände …«
    »Sir, auf der Polizeischule war ich Klassenbester«, sage ich und bin mir bewusst, dass ich laut spreche und Chief Ordler ins Wort gefallen bin, aber ich kann nicht aufhören, ich rede weiter. »Ich habe lückenlose Teilnahmenachweise, keinerlei Verstöße, keine Bürgerbeschwerden, weder vor noch nach Maia.«
    »Henry«, sagt der Chief sanft.
    »Und ich glaube, die Leitstelle vertraut mir bedingungslos.«
    »Junger Mann«, sagt Lieutenant Paul scharf und hebt die Hand. »Ich glaube, Sie missverstehen die Situation.«
    »Ma’am?«
    »Sie werden nicht gefeuert, Palace. Sie werden befördert.«
    Chief Ordler tritt in einen Lichtstrahl, der schräg durch das kleine Fenster fällt. »Wir sind der Ansicht, dass Sie angesichts der Umstände und Ihrer besonderen Talente weiter oben besser aufgehoben wären.«
    Mit offenem Mund starre ich sie an, kämpfe gegen die Sprachlosigkeit und gewinne schließlich. »Aber in den Dienstvorschriften heißt es, dass ein Officer zweieinhalb Jahre Streifendienst ableisten muss, bevor er zum Detective befördert werden kann.«
    »Diese Bestimmung werden wir außer Acht lassen«, erklärt Paul, klappt den Bericht zu und wirft ihn in den Papierkorb. »Und vorläufig werden wir uns auch die Mühe sparen, Ihren Pensionsplan umzustellen.«
    Das ist ein Scherz, aber ich lache nicht; ich schaffe es mit knapper Not, aufrecht stehen zu bleiben. Ich versuche, mich zu orientieren, versuche, Worte zu formen, denke neue Zeiten und weiter oben und in dem Traum ist das anders gelaufen .
    »Okay, Henry«, sagt Chief Ordler milde. »Das wär’s für heute.«
    Später erfahre ich, dass ich Detective Harvey Telson ersetze. Telson ist vorzeitig in den Ruhestand gegangen, um seine »Löffelliste« abzuarbeiten, so wie viele andere damals im Dezember bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden waren, um das zu tun, was sie vor ihrem Tod unbedingt noch tun wollten: Autorennen fahren, mit lange unterdrückten romantischen oder sexuellen Neigungen experimentieren, einen Quälgeist von früher aufspüren und ihm die Fresse polieren. Wie sich herausstellt, wollte Detective Telson schon immer Segelregatten fahren. America’s Cup und solche Sachen. Ein Glücksfall für mich.
    Sechsundzwanzig Tage nach der Besprechung in ihrem Büro und zwei Tage nachdem der Asteroid aus der Konjunktion mit der Sonne herauskam, quittierte Lieutenant

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