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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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doch richtig, dass Sie von dieser Verfärbung der Wand in dem Kellerraum sprechen?«, fragte sie knapp und kniff dabei die blauen Augen zusammen, was den forschenden Unterton in ihrer Stimme noch unterstrich.
    »Ja …« Beinahe hätte er hinzugefügt: »Euer Ehren.«
    »Und was genau haben Sie an dieser Wand gesehen?«
    Kyle zuckte mit den Schultern. Er war verunsichert von ihrem strengen Ton, fühlte sich wie in einem Verhör. »Äh, einen Fleck, glaube ich. Oder Brandspuren. Auf dem Putz. Als ich die Aufnahme zurückspulte, sah ich … keine Ahnung … Andeutungen von Knochen oder so was.«
    Sie lächelte triumphierend. »Diese Flecken auf dem Putz tauchten in zwei Zimmern auf, die ich gemietet hatte. Drei Monate nachdem das ganze Haus total renoviert worden war. Dabei waren auch sämtliche Rohre erneuert worden, ebenso
die Stromleitungen, und alle drei Wohnungen war komplett neu gestrichen worden. Ich weiß das, weil ich den Makler gebeten habe, mir die Rechnungen zu zeigen. Es gab keine Feuchtigkeit im Haus, keine Leckagen. Keine von unten hochziehende Nässe. Nichts, was solche Flecken verursachen könnte.«
    »Jetzt ist auch wieder alles erneuert worden. Die Wohnungen sehen picobello aus.«
    »Das wundert mich nicht. Aber was Sie wundern sollte, ist, dass Teile des Gebäudes, während ich dort wohnte, zweimal innerhalb von zwölf Monaten renoviert wurden. Waren die anderen Wohnungen auch leer?«
    »Ja, das ganze Haus.«
    Rachel Phillips lächelte wieder. »Die anderen Mieter sind noch vor mir ausgezogen. Aus den gleichen Gründen.«
    »Wegen des Geruchs und der Flecken?«
    »Das war nur ein Teil der Gründe. Was das Licht betrifft: Zwei Elektriker haben mir versichert, dass mit den Leitungen absolut nichts verkehrt ist. Trotzdem kam es häufig vor, dass sämtliche Lichter im Gebäude ausgingen. Ich hatte mich schon fast daran gewöhnt, die Sicherungen immer wieder einzuschalten. Das musste man zuerst machen. Und dann brauchte ich auch jede Menge Ersatzbirnen. Warum die Stromkreise ständig überlastet waren, konnte mir niemand erklären. Aber eines Tages entdeckten wir, dass die Leitungen unter dem Sicherungskasten beschädigt waren.«
    »Beschädigt?«
    Sie nickte. »Mutwillig. Aber von wem? Und wenn die Lichter ausgingen, folgte immer dieser schreckliche Geruch und dann erschienen diese Flecken. Ich gehe jede Wette ein, dass Sie, wenn Sie heute wieder in das Haus gehen, feststellen werden, dass der Fleck an der Wand im Keller schon wieder fast verschwunden ist. Er befindet sich auch nicht in der Nähe einer Rohrleitung, also ist es kein Leck. Jeder Handwerker, der das untersucht, wird
Ihnen versichern, dass es sich nicht um Feuchtigkeit handelt. Aber es wird Ihnen im Gedächtnis bleiben, man kann da nämlich Dinge erkennen. Aber das ist nicht das Schlimmste daran. Es war … es war eher das Gefühl, dass da jemand eingedrungen war, das hat mich richtig beunruhigt. Ich war dort ja die meiste Zeit allein, und das ist wirklich das Allerletzte, was eine alleinstehende Frau sich wünscht. Verunsicherung. Ich bekam Angst.«
    »Wir haben eigenartige Geräusche gehört.« Kyle zuckte zusammen, als Rachel ihn plötzlich direkt ansah.
    »Im obersten Stock wohnte ein Vermögensverwalter mit seiner Frau. Im ersten Stock der Inhaber einer Fluggesellschaft, der die Wohnung nutzte, wenn er in der Stadt war. Wir alle hörten eigenartige Geräusche.«
    »Können Sie beschreiben, wie das klang?«
    »Ich kann’s versuchen. Aber sie waren nicht klar zu definieren. Ich dachte, na ja, das klingt jetzt lächerlich … aber manchmal glaubte ich, ich würde Kindergeschrei hören. Oder Weinen. Kinder in Not. Oder Wind. Kinder im Wind. Der Mann über uns beklagte sich darüber, dass er Hunde hörte. ›Die Hunde haben wieder geheult‹, sagte er mir dann morgens. Er war Iraner, aber er sprach sehr gut Englisch. Es hörte sich an wie Tiere. Oder zumindest hoffte man das. Ich habe keine Ahnung, was das für eine Tierart ist, die solche Geräusche macht. Und immer außerhalb der Wohnungen, im gemeinschaftlichen Treppenhaus. Das Ehepaar im obersten Stock war der festen Überzeugung, dass bei ihnen eingebrochen wurde. Dreimal alarmierten sie mitten in der Nacht die Polizei. Ich hatte auch immer wieder das Gefühl, dass jemand in der Eingangshalle oder im Treppenhaus herumschleicht. Ich hörte Schritte. Wie von einem Betrunkenen oder so.«
    Kyle starrte zu Boden. »Musik?«
    »Musik? Nein. Aber so einen Ton, der wie ein Pfeifen klang.

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