Der letzte Vorhang
von Brokern dagegen kam
unmittelbar vor der Öffnung angeschlendert und verließ das Büro um vier bei
Börsenschluß. An der Wall Street überwog jetzt ein anderes Berufsethos — viel
weniger am Kunden orientiert, typisch für die neunziger Jahre.
Sie maß Kaffee ab, gab ihn in den Filter und
schaltete die Maschine ein, dann setzte sie sich an Max’ Schreibtisch mit
seinen heilsamen Stapeln »Fahndungsbogen« — den biographischen Angaben der
Kandidaten — und öffnete den Packen Post, den sie beim Hereinkommen vom Boden
aufgehoben hatte.
Ein paar Rechnungen, ein paar Schecks und sogar
einige Lebensläufe von Leuten, die keine Broker waren. Crain’s, Baron’s, das Journal. Registered Rep, die Fachzeitschrift für Börsenmakler, die
in den frühen Achtzigern von ihren Firmen Registered Representatives,
»zugelassene Vertreter«, getauft worden waren. Eine nette Veränderung gegenüber
dem alten Begriff »Kundenmann«. Und doch, war in dem Wort nicht der Dienst am
Kunden mitenthalten gewesen? Neuerdings wurden sie Finanzberater genannt, was
auch immer das bedeuten mochte.
Sie sah die Fahndungsbogen in dem Korb durch,
den Max mit WETZON — HEISS beschriftet hatte.
Seit zwei Jahren war Max Orchard jetzt bei
ihnen. Er war ein sechsundsechzigjähriger ehemaliger Buchhalter, der Schuhe mit
Gummisohlen trug. Max’ kurzer Hals, die flache Brust und der Kugelbauch ließen
ihn wie eine Karikatur aussehen, was noch durch die Hosenträger verstärkt
wurde, die seine Hose fast bis in die Achselhöhlen hochzogen.
Madison Fiske würde Max niemals einstellen,
soviel stand fest, und Smith hatte ihn auch nicht gewollt. Aber B.B., ihr
früherer Assistent, hatte die Arbeit des hinterhältigen Harold Alpert
übernehmen müssen, der sie verlassen hatte, um bei ihrem größten Konkurrenten,
Tom Keegen, einzutreten. Sie waren verzweifelt gewesen. Also hatte sich Wetzon
über Smith’ Proteste hinweggesetzt, und Max war angeheuert worden.
Die Kaffeemaschine begann zu keuchen und zu
gurgeln, während die letzten Tropfen durchliefen. Draußen quietschten Reifen,
und jemand lehnte sich auf eine Hupe.
Wetzon setzte sich auf. Was war das? Ein
seltsames Klirren, wie splitterndes Glas, dann ein dumpfer Schlag. Die Haustür.
Sie stand auf. Smith? Zu früh für Max, der vier Tage in der Woche von elf bis
vier arbeitete. Sie ging zur Tür und öffnete sie, bevor ihr einfiel, daß sie
allein war. Zu spät.
Eine riesige Pelzkugel fiel auf sie und riß sie
zu Boden.
»Oje, tut mir leid!« keuchte die Kugel, die Arme
und Beine bekam, aber fest auf Wetzon liegenblieb. »Schnell, schließen Sie die
Tür. Sie werden es nicht glauben, aber gerade hat jemand versucht, mich zu
erschießen.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, von mir
herunterzusteigen und mir zu sagen, wer Sie sind?«
»Oh, selbstverständlich.« Der Eindringling
schaffte sich mühsam hoch — es war eine energische Blondine vom Typ Kathleen Turner,
nicht viel größer als Wetzon, aber mindestens fünfzehn Pfund schwerer. Sie gab
Wetzon die Hand und zog sie auf die Beine, dann warf sie ihren Waschbärmantel
ab, der genau wie Wetzons eigener aussah. »Sie müssen Wetzon sein.« Hastig
griff sie auf ihren Kopf. »O Gott, wo ist mein Hut? Er muß da draußen sein.«
Sie zeigte auf die Straße. »Glauben Sie, er hat ihn gestohlen?«
»Ihren Hut?«
»Ja. Die stehlen heutzutage auch Pelzhüte.«
»Wirklich?« Eine Mäklerin, dachte Wetzon. Eine
Mäklerin und total verrückt. »Hängen Sie doch ihren Mantel auf und kommen Sie
in mein Büro. Bei welcher Firma sind Sie?«
Die Frau begann zu lachen. Ihr Mascara lag in
Perlen auf ihren Wimpern, und sie trug zuviel Rouge. Das schwarze Jerseykleid
hatte einen tiefen V-Ausschnitt, der einen fleischigen Brustansatz enthüllte.
»Bei welcher Firma?« wiederholte sie lachend. »Bei Ihrer. Ich bin Darlene Ford,
Ihre neue Mitarbeiterin.«
MEMORANDUM
An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
Datum: 14. November 1994
Betr.: Combinations in concert
Show Biz Shares sorgt beim Theaterverband für
schriftliche Vereinbarungen mit den Darstellern. Jedem wird ein Honorar von 200
Dollar gezahlt.
Die Darsteller stehen eine Woche vor der
Aufführung, also ab 16. Dezember, für Proben zur Verfügung.
Obwohl die Gewerkschaft dem Theaterverband
erlaubt hat, Benefizveranstaltungen durchzuführen, halten wir sie
höflicherweise über weitere Vereinbarungen auf dem laufenden. Das einzige Haar
in der Suppe
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