Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Spekulanten, der immer wieder sein Vermögen aufs Spiel setzte und es mehr als einmal bis auf seine eisernen Reserven verlor.
Zu diesen eisernen Reserven gehörten auch ein paar wertvolle Bilder, Überbleibsel der respektablen Sammlung von Schweizer Kunst, die sein Vater hinterlassen hatte. Eine Seelandschaft in Öl und zwei Aquarelle von Ferdinand Hodler, ein Frauenporträt von Segantini, zwei Blumenstillleben von Augusto Giacometti und ein bemerkenswerter Rückenakt von Félix Vallotton.
Diese kleine Bildersammlung war später denn auch der Anlass für die Wiederbelebung ihrer Beziehung geworden. Klaus hatte Adrian kurz nach Abschluss der Doktorarbeit angerufen und ihn gebeten, seine Bilder zu schätzen. Es war der erste Auftrag in Adrians Karriere gewesen, und er hatte einen unglaublichen Aufwand betrieben, um auf einigermaßen vertretbare Zahlen zu kommen. Klaus Baier, der wie viele, die mit großen Summen spekulieren, im Umgang mit den kleinen zur Knauserigkeit neigte, hatte den Auftrag mit einem Nachtessen honoriert. Adrian war das egal gewesen. Erstens hatte er schon damals keine materiellen Sorgen. Und zweitens war er bei seinen Recherchen auf den damaligen Schweiz-Experten von ›Murphy’s‹ gestoßen, der ihn für ein symbolisches Gehalt als Assistenten eingestellt hatte.
Seit diesem Auftrag hatten sie sich ab und zu in großen Abständen zum Essen getroffen. Meistens kam die Initiative von Klaus Baier und war ein Vorwand für eine Gratiskonsultation. Er wollte von Adrian wissen, wie sich der Marktwert seiner Bilder entwickelte. Wenn die Auskunft günstig war, bezahlte er das Essen, wenn nicht, ließ er sich einladen.
Baiers sicherster Wert war die kleine Seelandschaft von Hodler. Der Marktpreis des Künstlers hatte sich in den ganzen Jahren ohne große Schwankungen nach oben entwickelt. Auch der Augusto Giacometti war ein Blue Chip, dessen Wert sich jederzeit realisieren ließe. Aber das wirklich heiße Spekulationsobjekt war der Vallotton. Der Künstler hatte zwar stark schwankende Indizes, aber ein Bild wie »Nue devant une Salamandre« war in der Lage, unabhängig vom aktuellen Kurs des Künstlers einen sensationellen Preis zu erzielen. Es besaß einen großen Bekanntheitsgrad, denn es war ein Renner in vielen Plakateditionen und trotzdem von einem Geheimnis umwoben: Niemand wusste, wer es besaß. In allen Werk-und Ausstellungskatalogen – das Bild war oft auf Ausstellungen, denn das tat seinem Kurs gut – war seine Herkunft lediglich als »Privatbesitz« bezeichnet. Wenn es plötzlich auf den Markt käme, würde das einiges Aufsehen erregen. Adrian Weynfeldt pflegte es auf einen realistischen Wert zu schätzen, aber immer hinzuzufügen: »Unter dem Hammer könnte es leicht das Doppelte erzielen.«
Weynfeldt hatte schnell begriffen, dass Baiers Interesse für den Wert seiner Sammlung rein theoretischer Art war. Er dachte nicht im Traum daran, eines der Objekte zu verkaufen. Es tat ihm einfach gut, zu wissen, wie viel Geld es war, das er nicht flüssigmachte.
Deshalb war Weynfeldt für einen Moment sprachlos, als ihn Baier fragte: »Wie würde sich mein Vallotton in deiner Auktion machen, Adrian?«
Nach einer kurzen Pause antwortete er: »Hervorragend.«
3
Sein Lieblingsplatz war ein Armsessel, dessen Sitz-, Rücken und Armpolster mit einem etwas unbeholfenen Gobelin überzogen waren. Er stand zwischen den viel bequemeren Polstersesseln des Wohnzimmers, die ihm aber alle zu niedrig waren. Mit seinem steifen Bein kam er ohne fremde Hilfe kaum mehr aus ihnen hoch.
Er hatte ein Glas Port auf dem abgeflachten Löwenkopf der linken Armlehne stehen. Auf der rechten stand ein Kristallaschenbecher. Er war sauber bis auf einen fast intakten, zentimeterlangen Aschenzylinder von der Churchill, die er mit zusammengekniffenen Augen zwischen den Lippen hielt. Er hatte die Brille für die Weite auf der Nase und die für die Nähe auf der Stirn.
Der Zigarrenrauch hing unbeweglich auf halber Höhe im Zimmer und machte die Lichtstrahlen der beiden Spots sichtbar, die auf das Bild auf der Staffelei zielten. Aus einer in die Jahre gekommenen Stereoanlage swingte kaum hörbar die Count Basie Big Band.
Das Bild zeigte eine nackte Frau, die auf einem gelben Kelim vor einem Kamin kniete. Darin stand ein Salamander, ein gusseiserner Ofen mit verglaster Front, in dem ein Feuer glühte. Die Frau hatte dem Betrachter den Rücken zugewandt. Die letzte Hülle, die sie hatte fallen lassen, ein leichtes lila
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