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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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hinunterlief. Sie zog den Kopf angeekelt zurück.
    Die Ampel war offenbar auf Grün gesprungen, Toni hörte, wie Georg den Gang einlegte. Ihr Telefon klingelte. Nein, natürlich nicht. Welches Handy klingelt heute noch? Tonis Handy spielte die Melodie eines alten Yello-Hits. »Standing at the machine every day for all my life - it’s just a rush, push, cash.« Alle schraken zusammen, der Song brach in die tropisch-feuchte
Stille des Autos ein, Tom wachte auf, Karoline schaute irritiert nach hinten, und man sah jetzt, dass ihre Bluse tatsächlich mindestens einen Knopf zu tief geöffnet war. Georgs Blick blieb stur auf der Straße kleben. Hektisch suchte Toni ihr Telefon und fand es irgendwo tief in ihrer schwarzen Miu-Miu-Tasche vergraben. Sie erkannte sofort Margots Stimme. Sie berlinerte leicht. Margot berlinerte nur, wenn sie unzufrieden war.
    »Tooooniiii!« Wenn sie ihren Namen schon so lang zog, war sie wirklich genervt. »Ick mach mir hier fast ins Hemd. Nur noch zehn Tage bis zur Abendeinladung. Du musst dich jetzt endlich entscheiden. Ick hab noch nichts besorgen können - keinen einzigen Teller, keinen Suppenlöffel, kein Weinglas. Oder willst du diesmal Stäbchen? Du musst mit mir reden, Süße, sonst wird das alles nichts. Vierundzwanzig Gäste, das ist kein Pappenstiel. Det organisiert man nicht mal eben so über Nacht.«
    Toni stöhnte auf. Mist, die private Einladung bei ihnen daheim. Es war nur eine Frage von Stunden gewesen, bis Margot sich meldete und drängelte. Sie hatte ihr hoch und heilig versprochen, sich an diesem Wochenende Gedanken zu machen. Der gesamte Vorstand würde zu ihnen kommen. Alle begleitet von ihren Ehefrauen. Eine weitere Prüfung des künftigen Vorstandsvorsitzenden vor der Wahl. Man wollte ein letztes Mal kontrollieren, wie sicher sich Georg und Toni als Gastgeber auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegten - schließlich ist für einen Vorstandsvorsitzenden ein gut geführtes Haus Pflicht. Samt einer Ehefrau, die mit leichter Hand ein Event nach dem anderen schmeißt. Die besten Geschäfte schloss man immer im privaten Rahmen ab. Konferenzräume und Anwälte waren danach nur noch Nebenkriegsschauplätze.
    »Hallo, ist da jemand?« Margots Ton stieg eine Alarmstufe höher. »Toni, antworte mir endlich. Ich weiß, du bist eine geniale Gastgeberin. Niemand gibt so wunderbare Einladungen wie du.
Aber diesmal, Schätzchen, treibst du es mit deiner Lässigkeit wirklich auf die Spitze. Du musst jetzt Entscheidungen treffen.«
    Margot war eine weitere gute Freundin von Toni und wie Shirin Mitglied der Pokerrunde. Was sie beruflich genau machte, war schwer zu sagen. Vielleicht konnte man sie eine hauptberufliche Clubgängerin nennen. Um zu überleben, jobbte Margot hier und da. Wenn Toni eine private Abendeinladung plante, ging Margot ihr zur Hand. Sie verhandelte mit dem Geschirrverleiher, mit dem Floristen, mit den Köchen, kaufte ein, begutachtete, machte Vorschläge. Margot und Toni planten gerne zusammen. Weil der Konzern diese Mädchen-für-alles-Tätigkeit gut bezahlte, waren die Essen bei den Jungbluths so eine Art geregeltes Einkommen für Margot.
    »Mmmhhhh«, meldete sich Toni zu Wort. Mehr konnte sie nicht sagen. Sie saß in diesem engen Auto, alle Mitfahrer konnten jedes Wort hören. Georg sollte nicht wissen, dass sie noch nichts vorbereitet hatte. Eigentlich war Toni immer irgendetwas Besonderes eingefallen. Sie hatte auch als Gastgeberin Stil. Mal gab sie ein Essen streng nach der Philosophie des Bauhauses (damals in Dessau hatte man auch Kochbücher mit Bauhaus-Gerichten verfasst), mal servierte sie einen Abend lang japanische Zen-Küche. Sie scheute sich dann nicht, Deutschlands Wirtschaftselite in Strümpfen und im Schneidersitz an einen niedrigen japanischen Tisch zu bitten. Dafür hatte sie das Wohnzimmer radikal umdekoriert, den riesigen Raum mit Bambusmatten ausgelegt und Trennwände aus Pergamentpapier bauen lassen. In der Ecke saßen drei japanische Musiker, die auf Instrumenten spielten, die aussahen wie lang gezogene Mandolinen, und über deren Klangkörper nur eine einzige wohlklingende Saite gespannt war - vermutlich das Haar eines uralten tibetischen Yaks, der irgendwo tief im Himalaja versonnen mit seinem Schweif gewedelt hatte, bis er ihm gestutzt worden war.
    Das Essen dazu kam von einem aufstrebenden Kochtalent aus Tokio, einem 24-jährigen Kerl mit Babyspeck im Gesicht, der froh war, eine anständig bezahlte Reise nach Berlin spendiert zu bekommen,

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