Der Liebespakt
gesetzt hat, das es angeblich nur hier gab. Aleksej wollte gerne Paneele an der Wand haben, das heißt, das Holz würde den Raum dominieren. Da musste der Ton exakt stimmen. Aber dafür bis nach Kanada fliegen? Auf so eine verrückte Idee konnte nur ein reicher Russe kommen
Auf dem Steg erwartete Toni schon ein junger Mann, der sich als Fred vorstellte. Er sei ihr »Guide« für die kommenden zwei Tage. Heute werde man allerdings nicht mehr zu viel kommen,
dafür sei es schon zu spät. Toni schaute auf die Uhr, tatsächlich, es war schon kurz vor sechs Uhr abends. Sie war jetzt seit 36 Stunden unterwegs und hundemüde. Auch hungrig. All das sagte sie Fred. Der versprach, ihr als Erstes ihr Zimmer zu zeigen und dann den Weg zur Kantine. »Es gibt hier doch ein Hotel, oder?«, sagte Toni erstaunt. Fred musste lachen. Er zeigte etwas nach rechts. »Das dort ist Ihr Hotel für diese Nacht.« Toni machte ein erstauntes Gesicht: Fred zeigte auf eine Art Schiff, das fest mit dem Ufer vertäut war.
»Das ist ein ehemaliges Wohnschiff der kanadischen Armee - es hat drei Stockwerke. Ganz unten befinden sich die Kantine, die Kühlräume und die Motoren. Eine Etage höher sind die einfachen Kajüten, die damals von den Soldaten bewohnt wurden und heute von unseren Jungs. Im Stock darüber sind die größeren Kajüten für die Chefs, die Vorarbeiter. Und für die Gäste. Sie haben Glück, Lady, der Ausblick ist spektakulär.«
»Aber wieso ein Schiff? Hätte man nicht einfach ein Holzhaus für die Holzfäller bauen können?«
Fred lachte. »Hören Sie, Ma’m, das wäre doch viel teurer gewesen. Das Schiff war fix und fertig - mit Kantine, Küche, Duschen, Klos, es musste nur über die Flüsse hierhergebracht werden. Viel gekostet hat es vermutlich auch nicht, die Armee wollte den Kahn verschrotten. Für unsere Zwecke ist das Boot perfekt. Man kann es gut heizen, es trotzt Wind und Wetter, und die Kantine, ich sage Ihnen, die Kantine ist die beste Kantine im Umkreis der nächsten 300 Meilen.«
»Vermutlich auch die einzige Kantine«, mutmaßte Toni.
»Das auch«, bestätigte Fred.
Inzwischen gingen sie am Ufer entlang auf das riesige Wohnschiff zu. Das Wasser schwappte träge vor Tonis Füße, sie balancierte vorsichtig über den Kieselsteinstrand. Vor dem Wohnschiff saßen auf Bänken mehrere Holzfäller; Männer mit
verwitterten Gesichtern, die so aussahen, als hätten sie letzten Monat zum letzten Mal gesprochen. Alle rauchten. Sie schauten mäßig interessiert zu Toni und Fred herüber, nicht besonders freundlich. Niemand grüßte, nur Toni murmelte ein halblautes »Good evening«.
Fred schob Toni schnell ins Innere des Schiffes. »Holzfäller sind harte Jungs«, sagte er leise. »Am besten, Sie gehen den Männern einfach aus dem Weg. In der Kantine arbeiten zwei Frauen - Linda und Laurie -, dort sind Sie sicher und können sich problemlos aufhalten. In Ihrer Kajüte werden Sie auch garantiert nicht gestört, keine Sorge. Nur hier draußen würde ich mich nicht rumtreiben, besonders nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Ist zu gefährlich - die Maschinen und Holzlaster nehmen keine Rücksicht. Die überrollen Sie glatt. Ein simpler Waldspaziergang kann in dieser Gegend das Ende bedeuten.« Genau in diesem Moment sprangen, wie auf ein Zeichen, verschiedene Motoren an, bald darauf hörte man das laute Kreischen von Sägen, das Krachen stürzender Bäume. Toni war froh, tiefer in das Wohnschiff hineingehen zu können.
Alles hier war aus Metall. Die Wände, die Türen, der Boden. Gestrichen war das Schiff in einem matten Gelb, das irgendwie krank aussah. Wie es sich hier wohl über Wochen, sogar Monate lebte? Diese Männer hier führten ein einsames, karges Leben. Toni kletterte eine steile Metalltreppe hinter Fred her. Er führte sie noch tiefer ins Schiff hinein, Toni hatte inzwischen leicht die Orientierung verloren. Plötzlich blieb er vor einer Metalltür stehen - Deck I/ 112.
»Hier ist Ihr Zimmer für die Nacht«, sagte er und drückte mit einem kräftigen Druck die Metalltür auf. Er reichte Toni ihr Gepäck. »Ich warte hier im Flur auf Sie, lassen Sie sich ruhig ein paar Minuten Zeit. Danach gehen wir in die Kantine, und Sie kriegen endlich etwas auf die Gabel. Sie sehen hungrig aus,
Lady. Aber kein Wunder, Sie essen ja auch für zwei.« Fred grinste sie an. Er war irgendwie nett. Schlicht und nett. Und viel zu jung für sie.
Die Kajüte war angenehmer als erwartet. Die Bettwäsche roch frisch, die Wände waren
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