Der Liebespakt
Kurz überlegte Toni, was er wohl damit meinen könnte, da fiel ihr ein, wie viele Stunden Aleksej Wolkow damals in Georgs Büro gesessen hatte. Er hatte nie Zweifel daran gelassen, dass er den Stil des Büros liebte. »Mein Konzern mietet jetzt eine repräsentative Etage in Berlin, ich werde von dort aus das Geschäft für den deutschsprachigen Raum und die Benelux-Länder kontrollieren.«
»Sie ziehen nach Berlin. Das ist ja toll«, rief Toni aus.
»Es ist ein gutes Angebot. Und meine zukünftige Frau möchte nicht sofort in Moskau leben. Das respektiere ich.«
»Ihre zukünftige Frau? Herr Wolkow, ich gratuliere Ihnen. Frau Schurz ist eine wunderbare Wahl.«
»Ich weiß«, sagte er. »Ingeborg hat mich gerettet.« Er sagte das ganz selbstverständlich, überhaupt nicht pathetisch. Eine schlichte Tatsache, unbestreitbar. »Ingeborg hat mich gerettet.« Toni wusste in diesem Moment: Das war das Glück. Der Mann am anderen Ende hatte es gefunden. Die beiden dort hatten
sich gefunden. Toni spürte ein wenig Neid. Sie fühlte sich unendlich allein. Aber Aleksej Wolkow bekam von ihrer Einsamkeit nichts mit. Er redete einfach weiter.
»Toni, hören Sie, ich möchte Sie als meine Innendesignerin. Sie sollen mir diese Büroetage in den nächsten Monaten herrichten. Sie müssten sofort damit anfangen. Können Sie das noch in Ihrem Zustand?«, fragte er zögernd.
»Kein Problem. Sechs Monate haben wir noch Zeit. Bislang habe ich außer leichter Übelkeit keine nennenswerten Probleme.«
»Gut, sehr gut. In einem halben Jahr muss die Etage fertig sein, dann muss ich in Berlin meine Arbeit aufnehmen. Ich habe mich erkundigt, dieser Pedraam, für den Sie arbeiten, hat ja eine größere Firma. Sie sind also nicht vollkommen alleine. Allerdings Toni«, jetzt senkte Aleksej Wolkow die Stimme, »als Geschäftsmann muss ich Ihnen sagen - dies ist ein wirklich großer Auftrag. Und wie ich höre, stehen Sie bei einer Berliner Hotelkette auch kurz vor dem Abschluss …« Unglaublich, dachte Toni, Aleksej Wolkow weiß wirklich alles. Es war, als stünde sie unter Dauerbeobachtung des KGB. »… Ich würde Ihnen also dringend raten: Bestehen Sie auf einer Teilhaberschaft in der Firma dieses Pedraam. Mit diesen beiden Großaufträgen bringen Sie dem Büro mehr ein, als Ihr Chef in den letzten drei Jahren verdient hat.«
»Wissen Sie denn etwa genau, wie viel Gewinn mein Studienkollege in den letzten Jahren gemacht hat?«
»Die Zahlen liegen mir womöglich vor, ja«, sagte Aleksej Wolkow ausweichend. »Aber das spielt keine Rolle. Toni, was ich Ihnen sagen will: Nutzen Sie die Chance. Sie müssen auf eigenen Beinen stehen. Denken Sie an das Kind. Verdienen Sie genug Geld, um sich nach der Geburt eine dieser hervorragenden englischen Nannys leisten zu können. Sie werden die Frau
brauchen, wenn Sie als alleinerziehende berufstätige Mutter über die Runden kommen wollen.«
Toni musste lachen, weil Aleksej Wolkow so väterlich besorgt um sie war. Sie sprachen noch ein wenig über die Formalien, Aleksej Wolkow wollte ihr den Etat, den Grundriss und alles andere in Kürze zuschicken.
»Eine Sache noch, ich will, dass nur das beste Material in meinem Büro verarbeitet wird - nicht irgendein Holz, nicht irgendein Marmor, nicht irgendein Sandstein. Außerdem hat mein Konzern Verbindungen zu bestimmten Produktionsstätten, bei denen wir mehr oder weniger zum Kauf verpflichtet sind. Kurz und gut - im ersten Monat müssen Sie ein wenig reisen und sich das Material vor Ort ansehen. Geht das?«
»Selbstverständlich«, sagte Toni. »Aber wohin reisen?«
»Der Marmorbruch liegt in Süditalien, das Holz soll aus Kanada kommen, der Sandstein stammt aus Namibia«, zählte Aleksej Wolkow auf.
»Also, bei aller Liebe - ich reise nicht nach Afrika. Nicht, solange ich schwanger bin. Italien und Kanada sind kein Problem.«
»Dann schicken Sie Ihren Kollegen nach Namibia«, schlug Aleksej Wolkow vor.
»Pedraam?«, fragte Toni. »Ja, das müsste gehen.«
Eine Stunde später hatte Toni alle Unterlagen, die sie brauchte. Der Etat war extrem üppig, Pedraam schwer beeindruckt. »Das ist ein riesiger Auftrag.« Als dann noch wenig später das Telefon klingelte und Toni den Zuschlag für das Hotelprojekt bekam, war auch Pedraam klar, dass Toni, seine begabte Studienkollegin von früher, viel mehr war als eine Mitarbeiterin. Sie brachte das Geschäft erst richtig in Schwung. Und so wehrte er sich nicht lange gegen eine Teilhaberschaft - sie hatte sich
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