Der Liebespakt
mit schönem Holz getäfelt - die kanadische Armee hatte offensichtlich Geschmack. Es stand ein kleiner Tisch vor dem Fenster, und der Ausblick auf den See und die Berge war tatsächlich, wie Fred versprochen hatte, spektakulär. Toni warf noch einen schnellen Blick ins Bad, es war eher eine Nasszelle mit Klo. Roh und funktional, aber sauber. Als sie kurz darauf aus ihrer Kajüte trat, sah Fred gleich, dass Toni zufrieden aussah.
»Ma’m, Sie sehen, Sie müssen sich keine Sorgen machen. Laurie putzt hervorragend - auf diesem Schiff gibt es keinen Dreck, obwohl die Männer den halben Wald hereinschleppen. Unser Bettzeug ist immer tipptopp. Und Linda, glauben Sie mir, Linda kann kochen.« Dann machten sie sich auf den Weg in den Bauch des Schiffes zur Kantine.
Fünf Metalltreppen und einige verwirrende Gänge später erreichten sie endlich die Kantine. Ein kahler, von Neonlicht erhellter Raum ohne Fenster. Einige verblichene Fotos hingen an der Wand - Bilder von hier, vermutlich von einem der Holzfäller geschossen, der seine Freizeit mit Fotografieren verbrachte. Ein Hobby war nicht schlecht in dieser Einsamkeit. Einige Tische waren besetzt, Fred führte Toni an einen leeren Tisch unter dem Foto eines Braunbären, der im See stand und fischte. »Ich hole unser Essen«, sagte er zu Toni, und als die mit einer Bewegung andeutete, ihm helfen zu wollen, winkte er ab. »Setzen Sie sich hin und machen Sie es sich gemütlich. Es geht gleich los.«
Bald stand ein dampfender Teller vor ihr. Hackbraten, Karotten, gestampfte Kartoffeln und viel Soße. Zu trinken gab es
Cola, Wasser oder Milch. Toni entschied sich für Wasser. Zögerlich griff sie zur Gabel und machte sich an den Hackbraten. Wann hatte sie zuletzt ein Gericht gegessen, das mit schwerer Soße so überladen war? Gravey, sagten die Kanadier dazu. Aber sie musste sich über Alternativen keine Gedanken machen. Sie hatte Hunger, und die Köchin Linda, das war sicher, kochte pro Mahlzeit immer nur ein Gericht. Für Sonderwünsche war hier keine Zeit.
Der Hackbraten war eine Offenbarung. Und erst die Soße! Der Kartoffelbrei war frisch, die Möhren waren bissfest. Toni wollte, dass dieser Teller niemals leer würde. Am Ende schabte sie das letzte bisschen Soße und Kartoffelbrei vom Teller.
»Es schmeckt ihr, Linda, es schmeckt ihr«, rief Fred in die Küche, in die man durch die Tellerdurchreiche hineingucken konnte.
»Bei mir schmeckt es allen«, rief Linda zurück, die das Kompliment offensichtlich selbstverständlich fand. Linda war noch jung, jünger als Toni. Sie hatte sehr lange Haare, die sie zu einem Zopf gebunden hatte, und die auffällig blasse Haut einer Frau, die wenig ans Tageslicht kommt. Linda war sehr dünn. Fred erzählte, wie hart ihr Arbeitstag war. Ab fünf Uhr morgens gab es Frühstück, danach ging es sofort an die Vorbereitung des Mittagessens, das ab 11.30 Uhr fertig sein musste. Nachmittags bot die Kantine mal Kuchen, mal Kekse, mal Eis. Und abends wurde noch mal groß gekocht. »Die Jungs hier haben Hunger, man braucht in dem Job viel Kraft.« Erst um zehn Uhr abends schloss die Kantine. Sechseinhalb Stunden später stand Linda dann wieder in ihrer Küche.
»Es ist ein Saisonsjob«, sagte Fred. »Du verdienst in wenigen Monaten sehr viel Geld. Aber niemand macht diesen Job länger als ein paar Jahre. Irgendwann wird Linda einen netten Mann kennenlernen, ihn heiraten, dann kommen die Kinder, und sie
kann diese Arbeit nicht mehr machen. Einige Jungs sagen, da liefe schon etwas mit so einem Kerl aus Winnipeg. Ich hoffe für Linda, dass das nicht stimmt. Hier oben darf nichts sein zwischen Männern und Frauen. Liebesaffären sind hier streng verboten, dann ist man sofort den Job los.«
»Und wenn man verheiratet ist? Kommt einen manchmal die Frau besuchen?«, fragte Toni.
»Sind Sie verrückt? Das ist noch nie vorgekommen. Wir haben hier oben kein Privatleben. Niemand redet darüber, was zu Hause los ist. Keiner weiß wirklich etwas vom anderen. Es ist hier wie, wie …«, Fred suchte nach Worten.
»Wie im Knast?«, fragte Toni.
»Genau. Nur viel besser bezahlt. Und ohne Sex. Sie wissen doch, was ich meine, das Ding mit der Dusche«, stammelte Fred.
»Ich weiß, Fred. Meinen Sie, ich könnte noch einen Nachschlag haben? Einen für das Baby«, wechselte Toni charmant das Thema.
»Gerne. Warten Sie, ich hole Ihnen gleich einen zweiten Teller.« Fred sprang auf. Er war wirklich ein netter Kerl.
Eine halbe Stunde später hatte sich Toni
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