Der Lilienpakt
noch ein Kleid, in dem ich mich richtig wohlfühlte. Wie Antoine schon richtig bemerkt hatte, war mein Busen in den vergangenen Monaten ziemlich gewachsen.
Lieber Gott, warum hast du aus mir ein Mädchen gemacht?
Doch alle Stoßseufzer nützten in diesem Augenblick nichts. Nachdem ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, packte ich meinen Degen wieder ins Futteral und begab mich zur Kleidertruhe. Von den Kleidern, die mir noch passten, war eines ein pflaumenfarbenes Ballkleid aus Seide. Das andere war ein weißes Taftkleid mit rosafarbenen Blüten, doch das trug ich nur zu besonderen Anlässen. Konnte man den Besuch eines Freundes, auch wenn er selten kam, dazu zählen? Eigentlich nicht. Außerdem wollte ich nicht aufgeputzt wie ein Pfau durch den Garten schreiten. Das war nicht meine Art. Neben diesen Gewändern besaß ich noch ein graues und ein blaues Kambrikkleid, das so geschnitten war, dass man es auch auf dem Sattel eines Pferdes tragen konnte, ohne Anstoß zu erregen.
Ich entschied mich also für dieses hochgeschlossene Reitkleid mit dem kleinen weißen Spitzenkragen, das ich dank meiner schmalen Taille auch ohne Schnürbrust tragen konnte.
Glücklich über meine Wahl schlüpfte ich aus meinen Fechtkleidern, wusch mich rasch mit dem Wasser aus dem Krug auf dem Fensterbrett und zog ein neues Hemd an. Anschließend warf ich das Reitkleid über, verschloss die Schnürung und schlüpfte in meine Pantinen.
3
Mein Vater und Monsieur Blanchet erwarteten mich an der kleinen Treppe, die zum Garten führte, der aus einem bepflanzten Teil mit Lauben und Beeten und einer Wiese bestand, auf der die Mägde die Wäsche trockneten und bleichten. Das Maiwetter war bisher recht angenehm gewesen; die Natur dankte es der Sonne mit herrlicher Blütenpracht und zartgrünem Laub. Das Summen von Bienen lag in der Luft.
Das Klappern meiner Holzpantinen verriet mich schon von Weitem. »Ah, da bist du ja, Christine!«
Ob Papa mitbekommen hatte, dass meine Brüder auf die Jagd gegangen waren?
Wieder ließ mich Blanchets Blick erstarren. Seine Augen gaben mir das Gefühl, Dinge an mir zu sehen, die ich selbst nicht von mir wusste. Darüber ärgerte ich mich ziemlich.
»Ihr seht entzückend aus, Mademoiselle«, bemerkte Papas Freund mit einem hintergründigen Lächeln. »Ich glaube kaum, dass es in Paris ein Mädchen gibt, das Eurem Liebreiz gleichkommt.«
Wozu machte er mir Komplimente? Ich dachte, er wäre nur wegen meiner Brüder hier? Und warum sollte ich ihn und Papa bei einem Spaziergang begleiten? Als Zierde?
Ein erschreckender Gedanke kam mir. Soweit ich wusste, hatte Blanchet keine Frau. Wollte er mir vielleicht den Hof machen? Er war zwar nicht von Adel, verfügte aber über ein gewisses Vermögen. Geld, das unsere Familie gebrauchen konnte.
Nein, Papa, das darfst du mir nicht antun!
»Ist dir nicht wohl?«, fragte mein Vater, als er bemerkte, dass ich zur Salzsäule erstarrt war.
»Es ist nichts.«
»Vielleicht sollten wir den Spaziergang allein unternehmen?«, warf Blanchet ein. »Immerhin musste sich die junge Dame beim Fechten anstrengen.«
Als ob das eine Anstrengung gewesen wäre! Ich warf ihm einen giftigen Blick zu.
Papa schüttelte den Kopf. »Nein, Christine kommt mit.« Den Grund nannte er nicht, was mein ungutes Gefühl noch verstärkte. Wollte er, dass Blanchet und ich uns besser kennenlernten? Es war nichts Ungewöhnliches, dass ältere Männer jüngere Frauen freiten. Julie meinte immer, das würde ihnen ihre Jugend zurückgeben.
Mochte mein Vater Blanchet auch schätzen, ich konnte ihm nichts abgewinnen. Vielleicht sollte ich den Spaziergang nutzen, um mir irgendwelche Streiche auszudenken, mit denen ich ihn von mir abbringen konnte …
Beunruhigt folgte ich den Männern die Treppe hinunter. Als ich ein helles Lachen vernahm, blickte ich zur Seite. Die Mägde waren gerade dabei, die Wäsche aufzuhängen. Zwischen ihnen entdeckte ich Julie. Mit ihrem blonden Haar hätten wir beinahe Schwestern sein können. Ich winkte ihr zu, als sie aufsah, und sie erwiderte meine Geste lachend. Die Männer bemerkten es nicht.
»Nun, gibt es Neuigkeiten aus Paris?«, fragte Papa, während er die Hände auf dem Rücken verschränkte.
»Der König ist erkrankt«, berichtete Blanchet ernst, als wir in den Laubengang einbogen, an dem sich das erste zarte Grün auf den knorrigen Ästen zeigte. Ich war überrascht. Nicht über die Krankheit des Königs; Gerüchte über seinen Zustand hatten uns schon vor längerer
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