Der Lilienpakt
heiraten.
»Christine, möchtest du uns zu einem kleinen Rundgang begleiten?«, riss mich mein Vater aus meinen Gedanken.
»Gern, Papa«, antwortete ich höflich, obwohl ich viel lieber die Fechtstunde fortgesetzt hätte. »Ich werde mich nur noch umkleiden.«
Mein Vater nickte mir zu, und nachdem ich vor Blanchet geknickst hatte, verließ ich den Fechtsaal.
Auf dem Weg in mein Gemach kam mir Antoine entgegen. Er war der Zweitälteste meiner Brüder und mir der allerliebste. Nicht dass ich Bernard und Roland nicht gemocht hätte, aber Antoine war der einzige, der hin und wieder Fechten mit mir übte, während die anderen meine Ausbildung nur mild bis spöttisch belächelten.
»Ist deine Fechtstunde schon zu Ende?«, fragte er und deutete auf den Degen unter meinem Arm.
»Ja, notgedrungen«, seufzte ich. »Wegen unseres Besuchs.«
»Was hatte Monsieur Blanchet denn im Fechtsaal zu suchen?« Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich dachte, er wäre gekommen, um uns gleich in den Werberkäfig zu stecken und nach Paris mitzunehmen.«
»Er hat mich wohl für einen von euch gehalten und ziemlich gestaunt, als ich die Maske abgenommen habe.«
»Das glaube ich! Aber eigentlich siehst du doch auch mit Maske nicht mehr wie ein Junge aus.« Antoine knuffte mich in die Seite. »Noch ein bisschen länger, und die Mädchen unten im Dorf werden angesichts deines Dekolletés neidisch sein. Dann müssen wir drei deine Ehre verteidigen.«
»Lass das bloß nicht Maman hören, die wird dir für solche Reden die Ohren lang ziehen«, entgegnete ich brüsk. »Außerdem kann ich selbst für meine Ehre streiten!«
»Sei doch heute nicht so streng mit mir, Prinzessin.« Antoine beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Ich will dich doch nur ein bisschen necken.«
Jetzt lächelte ich wieder. Meinem Lieblingsbruder konnte ich einfach nicht böse sein. Ich wollte ihn schon bitten, mich auf den Spaziergang zu begleiten, da stürmte plötzlich Roland zur Tür herein. Seine Locken hingen ihm wild ins Gesicht, und sein Wams saß schief, als hätte er sich gerade mit jemandem geprügelt.
»He, Antoine, Bernard hat den Eber gesehen, der vor einigen Wochen den alten Martin verletzt hat. Er sagt, dass der Bauer recht hatte, das Vieh ist ein Ungeheuer. Jetzt will er ihn erlegen.«
Antoine zog die Augenbrauen hoch. »Doch wohl nicht allein, oder?«
»Wenn wir nicht mitkommen, schon.«
»Aber er weiß doch, dass es verrückt wäre, ohne Helfer hinter diesem Biest herzureiten.«
»Deshalb fragt er ja, ob wir mitkommen wollen. Den Spaß wirst du doch nicht verpassen wollen! Hast du Blanchet gesehen? In der Kaserne ist es mit dem Jagen erst einmal vorbei.«
Natürlich würde sich Antoine diesen Spaß nicht entgehen lassen!
»Kann ich auch mitkommen?« Ich wusste, dass Papa mir das gewiss nicht erlauben würde. Aber wenn ich mich ebenso wie meine Brüder davonstahl …
»Nein, Prinzessin, das wäre zu gefährlich«, kam Antoine Roland zuvor, ehe dieser etwas Gemeines vom Stapel lassen konnte. »Du magst gut mit dem Degen umgehen können, aber die Jagd ist dennoch Männersache.«
Ich wollte schon das Gegenteil behaupten, als Roland einfiel: »Wahrscheinlich würdest du uns noch dazu bringen, das Vieh am Leben zu lassen, wenn wir es endlich gestellt haben. Bleib lieber hier und unterhalte dich mit Monsieur Blanchet. Solange er dich ansieht, kommt er nicht auf die Idee, nach uns zu fragen und uns jetzt schon in die Waffenröcke zu stecken.«
In mir stieg der leise Verdacht auf, dass sich meine Brüder nicht in gleicher Weise auf den Dienst bei den Musketieren freuten wie mein Vater. Bernard hatte es natürlich gut, er würde das Schloss und den Titel erben. Aber für die anderen beiden würde der Spaß vorbei sein. Und ich würde meinen geliebten Antoine nur sehen, wenn er beurlaubt wurde.
»Sei nicht traurig.« Antoine strich mir eine Haarlocke aus dem Gesicht. »Wünsch uns Glück, Prinzessin!«
Da ging er hin, mein Bruder! Wenigstens die drei würden an diesem Nachmittag ihren Spaß haben. Sehnsuchtsvoll zog es in meiner Brust, als ich sie durch das Fenster zu den Pferdeställen eilen sah. Mir blieb nur der Spaziergang mit Papa und seinem Gast.
Seufzend erklomm ich die Treppe und eilte zu meinem Gemach. Da Julie, meine Zofe, den anderen Mägden bei der Wäsche half, würde ich mich allein ankleiden müssen. Das machte mir nichts aus. Die Frage war nur: Welches Gewand sollte ich tragen? Es gab kaum
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