Der Lilienring
in der Vergangenheit...«
»... geben Ihnen kein Recht, heute noch vertraulich zu tun.«
»Nun dann, Mademoiselle, was führt Sie her?«
Er lächelte sie trotz ihres Verweises verwegen an, und Marie-Anna konnte dem frechen Zwinkern in seinen Augen nicht ganz widerstehen. Vielleicht, dachte sie, war es auch besser so. Schließlich wollte sie mit ihm ein Geschäft machen und musste so tun, als sei sie auf seine Hilfsbereitschaft angewiesen.
»Ach, Markus, du hast ja Recht, ich bin nicht in der Lage, hochnäsig zu sein.«
»Oh, also doch geschäftlich hier? Kann ich dir irgendwie helfen, meine Hübsche?«
»Eine Freundin sagte mir, du könntest. Diskret und so weiter.«
»Ich bin immer diskret. Und so weiter auch. Komm mit nach hinten. Es sollte dich hier niemand sehen, denke ich.«
Das Hinterzimmer war zum einen Teil ein Arbeitsraum mit einem Schreibtisch, Katalogen und Folianten. Zum anderen gab es eine breite Chaiselongue und Fauteuils, zwischen denen Tischchen mit Kristallkaraffen und Schalen mit Bonbons standen. Offensichtlich wickelte Markus seine Geschäfte mit den Damen gerne in lauschiger Atmosphäre ab.
»Nimm Platz!« Er wies auf die Chaiselongue, doch Marie-Anna wählte einen der Sessel. »Und nun berichte, Marie-Anna.«
Sie erzählte ihm die Geschichte von der Notwendigkeit gewisser Ausgaben, die sie nicht näher erläutern wollte, und bot ihm das »Erbstück« zum Verkauf an – eine mit Smaragden besetzte Brosche. Er musterte sie kritisch.
»Wenn du eine Engelmacherin bezahlen musst, dann helfe ich dir lieber auf andere Weise, Marie-Anna. Dieses Stück hast du nicht geerbt. Dir ist es schon erheblich dreckiger gegangen als heute. Wäre es damals in deinem Besitz gewesen, hättest du dich bestimmt schon früher davon getrennt.«
»Markus!«
»Liebste, ich weiß, dass du an Raabes Sammlungen arbeitest. Ich werde dir das Stück nicht abkaufen. Um keinen Preis. Hat er dich in Schwierigkeiten gebracht?«
»Ich habe es nicht aus seiner Sammlung!«
»Hat er es dir geschenkt?«
Marie-Anna schüttelte den Kopf und erhob sich. Das hier verlief völlig anders, als sie erwartet hatte. Markus stand unvermittelt neben ihr.
»Ich bin bereit, dir das Geld vorzustrecken, das du brauchst. Wenn du bereit bist, dich ein klein wenig an früher zu erinnern.« Er legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. »Die Franzosen im Allgemeinen mag ich nicht besonders, aber das Vergnügen, das mir dein süßer Leib geschenkt hat, ist mir lange im Gedächtnis geblieben.«
»Lass mich los, Markus. Es gibt keine Erinnerung.«
Er flüsterte ihr zärtlich in die Haare: »Dann gibt es eben kein Geld.«
Sie sah zu ihm auf und sagte leicht spöttisch: »Ich finde einen anderen Weg.«
»Aber keinen so köstlichen.«
Er küsste sie schnell auf die Lippen und hielt sie dann
fester, um diese Tätigkeit mit etwas Nachdruck zu wiederholen. Marie-Anna wehrte sich nicht. Es war ihr nicht zur Gänze unangenehm, und nichts war schlimmer, als sich durch hilfloses Zappeln die Frisur zu verderben.
»Markus, es hat keinen Zweck.«
»Der andere ist es also?«
Sie wand sich aus seiner Umarmung und machte einige resolute Schritte dem Ausgang zu. Er verstellte ihr den Weg.
»Marie-Anna, Jules ist noch nicht lange genug in der Stadt, um dich geschwängert zu haben. Aber deine Besuche bei Faucon haben sich bis zu mir herumgesprochen. Hat er dich ins Unglück gebracht?«
»Lass mich gehen, Markus.«
»Seltsam, ich fühle mich beinahe noch für dich verantwortlich. Wie viel Zeit hast du noch? Ich arrangiere etwas für dich, Mädchen. Und wenn du dich revanchieren willst, dann kannst du es ebenso mit dem Zeichenstift tun. Ich brauche gelegentlich jemanden mit einer spitzen Feder, so wie du sie einst zu führen verstandest.«
»Nein, ich erklärte doch, es gibt einen anderen Weg. Bitte! Lass mich gehen!«
»Für heute ja, aber bevor du dir ein Leid antust, solltest du zu mir kommen, Schätzchen.«
»Auf jeden Fall.«
»Wir sehen uns bei Madame!«
Zu Hause schrieb sie Faucon vom Scheitern ihres Auftrags und auch, dass sie ihm bei nächster Gelegenheit die Brosche zurückgeben würde. Ihr war nicht wohl dabei, Markus diese Comödie vorgespielt zu haben. Er war bei weitem gefährlicher und scharfsinniger, als sie bislang angenommen hatte. Auch den Hinweis auf die
Zeichenarbeiten hatte sie sehr wohl verstanden. Markus mochte in der Tat gelegentlich bösartige Karikaturen in Umlauf setzen, der Besuch des Kaisers stand bald
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