Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
haben.«
    »Monsieur Faucon, ich könnte... also, wäre es nicht eine Möglichkeit, den Weg eines wertvollen Schmuckes zu verfolgen, den man gezielt an Bretton verkauft? Ich habe zwar nur den Lilienring, aber...«
    »Behalten Sie Ihren Ring, Mademoiselle. Aber die Idee ist nicht schlecht. Ich werde Ihnen ein geeignetes Stück
zur Verfügung stellen. Sie sollten es gegebenenfalls sogar ein, zwei Mal in der Öffentlichkeit tragen. Ansonsten halten Sie Ihre Augen und Ohren weiter offen, aber schweigen Sie wie bisher.« Er sah sie mit einem seiner seltenen Lächeln an und fügte im Hinausgehen hinzu: »Sie machen Ihre Sache gut, Marie-Anna.«
     
    Eine Woche später standen am frühen Abend Graciella, Rosemarie und Marie-Anna am Fuße der Treppe, um auf den Kommerzialrat zu warten. Alle drei hatten sich sorgfältig gekleidet und frisiert. Vor allem Graciella war überwältigt davon, dass Rosemarie ihr die glatten, blonden Haare aufgesteckt und mit zwei kleinen seidenen Vergissmeinnichtrispen verziert hatte, die Marie-Anna für sie in einem Putzwarengeschäft erstanden hatte. Marie-Anna hatte den Lilienring an den Finger gesteckt und trug eine neue, mit Smaragden besetzte Brosche am Busen. Rosemarie hingegen trug an einem feinen Kettchen ein zierliches Gold-Filigran-Kreuz, das mit einem kleinen Brillanten besetzt war. Auch sie hatte dieses Schmuckstück bisher noch nie getragen.
    Valerian Raabe kam pünktlich, verneigte sich mit höflicher Eleganz vor den dreien und geleitete sie zur Kutsche. Einen winzigen Augenblick lang blieb sein Blick an den Schmuckstücken hängen, doch er sprach deren Trägerinnen nicht darauf an.
    Das Theater war gut besucht. Es hatte sich herumgesprochen, die Compagnie, die das Shakespeare-Stück spielte, habe außerordentlich begabte Mitglieder. Sie nahmen ihre Plätze ein, und Marie-Anna registrierte, dass es wohl die besten waren, die das Haus zu bieten hatte. Mit Genuss ließ sie sich verzaubern.
    Jules spielte die Hauptrolle, den groben Petruchio, der sein widerspenstiges Käthchen zu zähmen versuchte. Sie bemerkte die Veränderung an ihm. Er war schon
immer ein guter Schauspieler gewesen, der sich mit brillantem Witz in Szene zu setzen wusste. Doch nun hatte er eine Form der Zurückhaltung gelernt, die es ihm ermöglichte, auch andere neben sich gelten zu lassen. Das war neu an ihm, und unerwarteterweise machte es ihn eindrucksvoller. Er bildete sozusagen die Seele des Stückes. Das kratzborstige Käthchen wuchs an seiner Seite über sich selbst hinaus, Heiterkeit erschütterte bei ihren Wortwechseln das Haus. Trotzdem wurde es allenthalben still und nachdenklich, als dann zum Schluss das Käthchen sanft das Loblied des Gehorsams sang – und dennoch mit zarter Hand den Gatten lenkte.
    »Ein seltsames Stück«, stellte Rosemarie fest.
    »Ein hintersinniges. Dieser Césare de Colon ist ein meisterhafter Comödiant. Mesdemoiselles, wollen wir eine Erfrischung zu uns nehmen?«
    Die drei bejahten erfreut, und Valerian Raabe führte sie in ein Weinhaus in der Trankgasse. Sie hatten ihre Gläser erhoben und tranken einander vergnügt zu, als sich der Sous-Préfet ihrem Tisch näherte. Er grüßte höflich und wurde herzlich eingeladen, sich der Gesellschaft anzuschließen. Einmal blieb sein Blick kurz an Rosemaries Halsbeuge hängen, in der das Filigrankreuz schimmerte, und sie senkte die Lider, ließ sie aber dann ganz kurz aufflattern. Marie-Anna beobachtete dieses kleine Spielchen mit Amüsement. Gleichzeitig mit ihrer Brosche war das Geschenk für Rosemarie eingetroffen. Sie war milde gespannt darauf, wann die beiden ihre Zuneigung der Öffentlichkeit kundtun würden. Ob der Professor der Verbindung zustimmen würde, war zu bezweifeln. Er hatte seine Frau an einen Franzosen verloren, seiner Tochter würde er sicher Hindernisse in den Weg legen. Valerian Raabe hingegen, glaubte sie, würde die Beziehung begrüßen. Die beiden Männer achteten einander, das war ihr inzwischen sehr deutlich geworden.

    Die Unterhaltung plätscherte angeregt dahin, als plötzlich die Tür aufging und einige Mitglieder der Schauspiel-Compagnie in den Gastraum eintraten. Unter ihnen befand sich auch der Hauptdarsteller, Césare de Colon, früher bekannt unter dem Namen Jules Coloman.
    Marie-Anna sog unwillkürlich die Luft ein. Wie würde der Sous-Préfet reagieren? Noch war das Urteil nicht aufgehoben, das Jules das Betreten der Stadt verbot. Sie beobachtete Faucon. Er bemerkte die Eintretenden ebenfalls, und

Weitere Kostenlose Bücher