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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hat niemandem Rechenschaft abzulegen, wenn er sich die Stücke ansehen, bewerten oder gar verkaufen möchte.«
    »Richtig. Wer noch?«
    »Professor Klein, der Kustos selbstverständlich. Er ordnet die Stücke ein, bewertet sie und achtet auf ihre sachgerechte Lagerung.«
    »Was ist dieser Professor für ein Mann?«
    »Ich weiß nicht sehr viel von ihm. Er war mit der Schwester des Hausherren verheiratet, Cosmea Raabe, die vor zwölf Jahren gestorben ist. Gleichzeitig musste er die Universität verlassen. Raabe hat ihn und seine Tochter in seinen Haushalt aufgenommen und ihm die Aufsicht über die Sammlung übertragen.«

    »Was für ein Mensch ist er?«
    »Hatte ich das nicht schon mal erwähnt – ein staubiger.«
    Faucon sah sie missbilligend an.
    »Pardon, er ist Altertumskundler, und ich habe den Eindruck, er erachtet seine jetzige Tätigkeit für würdelos. Er hat seine Tochter selbst unterrichtet, dann Graciellas Ausbildung übernehmen müssen, und nun hat er auch noch die beiden Kleinen unterrichten sollen.«
    »Wie äußert er sich zum politischen Geschehen?«
    »Gar nicht. Er ist nicht eben mitteilsam. Wenn er etwas zur gesellschaftlichen Unterhaltung beitragen soll, was der Kommerzialrat oft des Abends anordnet, dann hält er langweilige Vorträge über die römische und griechische Geschichte.«
    »Ein Sujet ohne Anziehungskraft für Sie?«
    »Nicht unbedingt. Die Art der Unterrichtung hat etwas Einschläferndes.«
    »Über den Verlust seiner Professorentätigkeit klagt er nicht?«
    »Meiner Meinung nach dürfte er den französischen Behörden nicht unbedingt wohlgesonnen sein, weil sie die Universität geschlossen haben.«
    »Er hätte eine andere Anstellung bekommen können.«
    »Seine Frau starb im nämlichen Jahr. Unter Umständen sollte man dies bedenken.«
    »Woran?«
    »Ich weiß es nicht. Ich werde mich erkundigen.«
    »Wer hat sonst noch Zugang zur Sammlung?«
    »Professor Kleins Tochter Rosemarie. Ich berichtete Ihnen ja, dass wir gemeinsam den Katalog erstellen.«
    »Wie steht sie zu ihrem Vater?«
    »Distanziert. Er ist kein herzlicher Mann. Sie ist sehr gebildet, aber ein wenig weltfremd.«

    »Hat sie einen Freund oder Verlobten?«
    »Nicht dass ich es wüsste.«
    »Finden Sie heraus, ob es da jemanden gab oder gibt.«
    »Ungerne, Monsieur Faucon. Rosemarie ist meine Freundin geworden.«
    »Sie haben eine Aufgabe erhalten, Mademoiselle. Ihre Gefühle sind dabei nebensächlich!«
    »Wie Sie befehlen, Monsieur le Sous-Préfet!«
    »Wie steht es mit der Hausherrin? Kümmert auch sie sich um die Sammlung?«
    »Madame pflegt ihre eigenen Sammlungen.«
    »Was heißt?«
    »Sie kümmert sich um ihren eigenen Schmuck. Ich spreche von zeitgenössischen Pretiosen. Die unmodernen alten Stücke scheinen nicht ihren Gefallen zu finden. Aber Sie kennen Madame ja selbst.«
    »Ja.«
    »Dann ist da noch Berlinde von Spangenberg, ihre Schwägerin und Gesellschafterin. Über sie kann ich wenig berichten. Soweit ich weiß, hat sie keinen Zugang zur Sammlung. Es sei denn, sie entwendet Professor Klein den Schlüssel und stöbert nachts heimlich im Keller herum.«
    »Ist das denkbar?«
    »Nur von der Lage ihres Appartements her.«
    »Versuchen Sie, ihr Vertrauen zu gewinnen.«
    »Kaum machbar, Monsieur Faucon. Sie schätzt Hochstaplerinnen wie mich nicht sonderlich und pflegt mich zu übersehen. Ich erwidere das mit gleicher Intensität.«
    »Welcherart sind die Einstellungen der Damen zur gegenwärtigen Lage?«
    »Indolent. Madame hat jedoch eine schwärmerische Ader, die Seiner Majestät dem Kaiser und vor allem seiner Gemahlin schmeicheln würde.«
    »Wer sind bevorzugte Gäste des Hauses?«

    Marie-Anna zählte einige Nachbarn, Geschäftsfreunde und entfernte Verwandte auf, die Faucon notierte.
    »Im Übrigen werden Sie es bemerkenswert finden, dass Markus Bretton seit zwei Wochen bevorzugter Gast bei Madames ‚Jour fixe’ ist.«
    »Bemerkenswert, ja. Ich dachte nicht, dass sie ihn als gesellschaftsfähig einstuft.«
    »Er hat eine charmante Art, sich angenehm zu machen.«
    »Wie viel wissen Sie von seiner Vergangenheit, Marie-Anna?«
    »Dass er zu den Stadtsoldaten gehörte, den roten Funken, wie sie genannt wurden. Aber 1794 musste er vor der Revolutionsarmee die Stadt verlassen. Er erzählte einmal, sie seien in Kämpfe verwickelt worden, die nur wenige überlebten. Ein Jahr bevor ich nach Köln kam, 1801, nach dem Frieden von Luneville, kehrte er zurück. Er musste quittieren. Seither führt er die

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