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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Leibesvisitationen verdächtiger weiblicher Personen durchzuführen. Schmähworte und Beschimpfungen nutzten den Mädchen nichts, selbst Handgreiflichkeiten wussten die beiden stämmigen Zöllnerinnen zu unterbinden. Sie wurden fündig – unter ihren Schürzen hatten die beiden Mädchen jeweils ein Bündel Tabak verborgen. Ihnen drohte nun eine sechsmonatige Haftstrafe.
    Wie schon zur Zeit der römischen Besiedlung war der Rhein wieder die Grenze zwischen dem gallischen Reich und Germanien. Eine feste Brücke existierte nicht, in diesen Tagen verband die »fliegende Brücke« das französische Köln mit dem rechtsrheinischen Deutz. Diese von Seilen gezogene Fähre war neben den vielen Nachen und Bötchen die einzige Verbindung zum anderen Ufer, und sie fuhr viele Male täglich hin und her, um Passagiere, Gefährte und Waren überzusetzen.
    Durch die Verordnungen der französischen Besatzer
war der früher sehr lebhafte und florierende Handel zwischen den links- und rechtsrheinischen Ländern unterbrochen, was naturgemäß die kriminelle Energie der Bewohner auf den Schmuggel lenkte. Vor allem, da die seit 1806 angeordnete Kontinentalsperre gewisse Handelsgüter in Köln knapp werden ließ.
    Die beiden Bündel Tabak wanderten zu dem Haufen anderer konfiszierter Waren. Bohnenkaffee, indischer Tee, weißer Rohrzucker, irische Spitze und indischer Baumwollmusselin, vornehmlich indigoblaue Variationen, beispielsweise. Kleine Mengen immer nur, denn die zumeist jugendlichen Schmuggler und Schmugglerinnen betrieben das Geschäft nicht im großen Maße. Das gewinnträchtige Geschäft des organisierten Schmuggels lag in fähigeren Händen. Etwa denen der großen Handelshäuser.
    Man wusste darum, aber die Hintermänner waren den Zöllnern bisher durch die Netze geschlüpft.
     
    »Ei, ei, das wäre etwas für dich gewesen, Cilly.«
    »Ja, nicht? Mit meiner geballten kriminellen Energie gäbe ich eine gute Schmugglerin ab. Muss aufregend gewesen sein, die Zeit.«
    »Sechs Monate Haft scheinen mir nicht sonderlich aufregend, aber wenn du meinst.«
    »Och, da lernt man bestimmt ordentlich fürs Leben bei.«
    »Ganz bestimmt! Hören wir uns jetzt mal an, was Marie-Anna dazu zu sagen weiß.«
    »Los, Anita. Erzähl!«

12. Kapitel
    Beim Sous-Préfet
    Marie-Anna hatte sich wie befohlen an ihrem freien Donnerstag in die Sous-Préfecture begeben, um ihrer Unterredung mit Faucon nachzukommen. Im Haus allerdings hatte sie vorgegeben, sie wolle ein paar Einkäufe erledigen.
    Faucon gab sich leutselig, er kam hinter seinem Schreibtisch hervor und bot ihr einen Sessel an.
    »Nun, konnten Sie mit der Liste der Gegenstände etwas anfangen, die ich Ihnen am Ostersonntag gegeben habe?«
    »Ich habe sie mir genau angesehen, Monsieur, doch bisher war es mir noch nicht möglich, eines der Teile davon als aus dem Hause stammend zu identifizieren. Die gesamten bisher angelegten Kataloge einzusehen dauert seine Zeit. Ich habe jedoch die Wissbegierde meiner Schülerin ausgenutzt, die sich für die Sammlung ihres Vaters interessiert. Unsere Konversationsstunde halten wir nun über die Kunstwerke ab, die sich im Hause befinden. Dazu habe ich mir eine der älteren Zusammenstellungen erbeten.«
    »Das ist zumindest ein sinnvoller Ansatz. Machen Sie weiter in dieser Form. Und nun erzählen Sie mir etwas über die Mitglieder des Hauses. Wer könnte ein Interesse daran haben, staatsfeindliche Aktivitäten zu unterstützen?«
    »Ein großes Wort, Monsieur Faucon. Staatsfeindliche Aktivitäten! Flugblätter drucken lassen, kritische Schriften verteilen, Spottverse dichten...«

    »Unsere Soldaten überfallen, verletzen und töten, Waffen und Munition entwenden, Wachen und Zöllner bestechen – Sabotage also, Mademoiselle.«
    »Oh.«
    »Genau, Mademoiselle.«
    »Derartige Dinge möchte ich niemandem im Haus unterstellen.«
    »Jemand hat bereits zumindest einmal einen Aufruf zur Rebellion finanziert. Sie erinnern sich an den Bernsteinring? Also bitte!«
    »Nun gut, meine drei Zöglinge darf ich wohl ausschließen. Graciella ist dreizehn, die beiden anderen sieben und acht.«
    »Schließen wir sie aus.«
    Marie-Anna saß grübelnd in ihrem Sessel. Obwohl sie sich schon seit Tagen Gedanken gemacht hatte, fiel es ihr schwer, über die Menschen zu sprechen, die sie wohlwollend aufgenommen hatten. Faucon schien das zu ahnen und formulierte seine Frage anders.
    »Wer hat Zugang zu der Sammlung, Marie-Anna?«
    »Oh, der Kommerzialrat an erster Stelle, denke ich. Er

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