Der Löwe
nebenan; man muss sich nur küssen, dann kriegt man sie.
Der Höhepunkt meines Besuchs aber war das Gastspiel des katholischen Priesters, der ins Zimmer kam. Er sah aus wie ein neunzehnjähriges Kind und hieß Pater Brad. Er stand zwischen mir und der Tür, deshalb musterte ich das Fenster. Könnte ich einen Sprung aus dem neunzehnten Stock überleben? War es den Versuch wert?
Jedenfalls war Pater Brad, wie sich herausstellte, ein guter Kerl, und wir plauderten alle miteinander, und er wusste natürlich, dass ich Katholik war – sie erkennen das innerhalb von fünf Sekunden. Kate erklärte ihm, dass sie Methodistin sei, worauf ich meinen alten Witz hervorkramte: »Er hat dich nicht nach deiner Verhütungsmethode gefragt.«
Pater Brad fand das lustig, aber ich dachte, Kate würde in Ohnmacht fallen.
Pater Brad freute sich, als er erfuhr, dass Kate keine Missetäterin war – sie wirkte wie ein nettes Mädchen –, und er freute sich noch mehr, als er erfuhr, dass ich vorhin zur Messe in St. Patrick’s war. Eigentlich hatte ich das gar nicht gesagt, aber er nahm es aufgrund dessen an, was ich möglicherweise gesagt haben könnte.
Ich hatte einen ganzen Haufen toller Papstwitze auf Lager, die er lustig finden könnte, aber er musste zu den härteren Fällen gehen, deshalb segnete er uns. Und ehrlich gesagt, war mir aus irgendeinem Grund danach wohler zumute. Vielleicht wurden meine Gebete erhört, und ich würde Asad Khalil finden und ihn umbringen.
Kate kritisierte in den nächsten paar Minuten mein Benehmen
gegenüber Pater Brad, aber ich war jetzt vom Heiligen Geist erfüllt und lächelte nur. Außerdem dachte ich daran, mir eine Bloody Mary zu machen, wenn ich heimkam.
»Ich werde morgen Nachmittag um vier hier abgeholt«, erinnerte mich Kate. »Ich brauche eine Stunde zum Packen.«
Zwei. Drei.
»Damit«, sagte sie, »haben wir Zeit zum Kuscheln.«
Ich dachte, wir würden vögeln. »Erst kuscheln, dann packen«, schlug ich vor.
»Tja … okay.«
Ich tanzte ein bisschen im Zimmer herum, bis das Mittagessen kam. Der Besuch endete mit einem bittersüßen Beigeschmack, als Kate mir erklärte: »Du bist ein tapferer Mann, John, und ich weiß, dass du die Lösung dieses Problems nicht anderen überlassen willst. Aber wenn dir etwas zustoßen sollte … wäre mein Leben vorüber. Also denk auch an mich, an uns.«
Wenn mir etwas zustoßen sollte, wäre mein Leben ebenfalls vorüber, aber im Geist der allgemeinen Gefühlsduselei erwiderte ich: »Wir haben ein langes Leben vor uns.« Es sei denn, ich falle beim Mayfieldschen Familienessen vor Langeweile tot um.
Ich verließ Kate in bester Stimmung – ihrer Stimmung, nicht meiner – und stieß in der Lobby auf meinen Fahrer.
Ich hatte nur einen FBI-Typ bei mir – es war Sonntag, ein Ruhetag für FBI und Terroristen –, der Preston Tyler hieß, vielleicht auch Tyler Preston, und bei dem ich mir nicht sicher war, ob er alt genug war, um etwas anderes als ein landwirtschaftliches Fahrzeug zu fahren. Jedenfalls setzten wir uns in Bewegung, und er fragte mich: »Hat Captain Paresi Sie erreicht?«
»Nee.«
»Er wollte nicht anrufen, solange Sie im Krankenhaus sind, aber er hat gesagt, er schickt Ihnen eine SMS.«
»Okay.« Ich schaute auf mein Handy, und selbstverständlich war da eine SMS von Paresi, die mir entgangen war. Ich glaube,
sie ging ein, als ich von Pater Brad gesegnet wurde, und offenbar hatte ich gedacht, das Vibrieren, das ich spürte … nun ja, jedenfalls rief ich die Nachricht ab, die da lautete: Eine neue Entwicklung. Rufen Sie mich so schnell wie möglich an.
Ich sah hier den Heiligen Geist am Werk. Aber vielleicht war es auch gute Kriminalistik.
Ich wählte Paresis Handynummer und fragte: »Was gibt’s?«
»Nun, wir haben möglicherweise das konspirative Haus gefunden – oder zumindest ein konspiratives Haus«, erwiderte er.
»Wo?«
»Dort, wo wir dachten – gegenüber von Ihrem Haus.«
Wir? Ich dachte, das wäre meine Idee gewesen.
Paresi fuhr fort: »Heute Morgen um zehn Uhr achtzehn bekam die Kommandozentrale einen anonymen Anruf von einem Mann, der sagte, er hätte an der östlichen Zweiundsiebzigsten Straße Nummer 320 – einem Apartmentgebäude – verdächtige Aktivitäten bemerkt, und dort würden, ich zitiere, ›verdächtig aussehende Leute ständig kommen und gehen‹.«
Das trifft auf die Hälfte aller Apartmenthäuser in New York zu. Aber bei dem hier war es offenbar anders.
»Wo sind Sie im
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