Der Löwe
«
»Welcher Anruf war das?«, fragte er. »Der, als Sie sauer waren, weil Sie weggeschickt werden.«
»Genau der.«
Er schaute mich an und sagte: »John, ich muss Walsh beipflichten, dass das so am besten für uns ist, und auch für Sie, vor allem aber für Kate.«
»Vince, für die Ermittlungen ist es nicht das Beste. Es ist nicht das Beste für den Kampf gegen den Terror, für das Land oder das amerikanische Volk.«
»Sie halten sich ja für sehr wichtig.«
»Da tue ich in der Tat.« Nun ja, offenbar war mein Schicksal besiegelt, aber ich sagte zu Paresi: »Anscheinend wollen Sie mich auf dem Laufenden halten, sonst wäre ich nicht hier.«
»Ich habe mich ein bisschen gelangweilt, und Sie waren in der Gegend.« Und er fügte hinzu: »Außerdem scheint das hier etwas mit jemandem zu tun zu haben, der Sie umbringen will.«
»Richtig. Warum bleiben wir also nicht in Verbindung, während ich ein paar Wochen meine Ruhe genieße? Und ich sehe zu, dass ich jederzeit erreichbar bin und schnellstens nach New York zurückkehren kann, wenn Sie meinen, dass Sie auf irgendwas gestoßen sind.«
Er dachte darüber nach und erwiderte: »Ich bespreche das mit Walsh. Schluss mit dem Thema.«
Wir stocherten noch eine Weile in dem Apartment herum und achteten darauf, dass wir nichts berührten oder durcheinanderbrachten, damit die Leute von der Spurensicherung keinen Anfall kriegten. Außerdem erinnerte ich Paresi daran, dass wir Khalils Fingerabdrücke sowie DNA-Spuren von ihm, die man ihm vor drei Jahren in der amerikanischen Botschaft in Paris abgenommen hatte, in der Datenbank des FBI hatten.
»Dem Aussehen dieser Bude nach zu schließen, gibt’s hier genug DNA, um Leben zu erschaffen und es festzunehmen«, bemerkte Paresi.
Der war gut, Vince. Ich wünschte, das wäre mir eingefallen.
Auf jeden Fall mochten die Leute von der Spurensicherung
schmutzige Häuser, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie nachweisen konnten, dass Asad Khalil hiergewesen war.
»Was zum Teufel haben diese Leute hier Tag und Nacht gemacht? «, fragte Paresi rein rhetorisch.
Tja. Mir würde bereits in einem fünfmal so großen Apartment mit allen leiblichen Genüssen, einem Balkon mit Aussicht und einer gut bestückten Bar die Decke auf den Kopf fallen. Diese Leute hingegen interessierten sich nicht für Bequemlichkeit oder Unterhaltung; sie waren geduldig, zielstrebig und in einem heiligen Auftrag unterwegs. Dadurch waren sie nicht unbedingt besser für diesen Kampf gerüstet – ihnen fehlte die Gedankenfreiheit, und sie unterschätzten unsere Entschlossenheit und Bereitschaft zu kämpfen –, aber sie erwiesen sich als zäher, als wir dachten.
»Sie haben hier rumgesessen und rund um die Uhr mein Haus beobachtet«, beantwortete ich Paresis rhetorische Frage: »Sie haben gebetet, über Politik und Religion gesprochen und im Koran gelesen.«
»Womit haben sie sich amüsiert?«
»Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt.«
»Richtig. Sie hätten einen Hausputzwettbewerb veranstalten sollen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr und stellte eine weitere rein rhetorische Frage. »Wie lange dauert es, um einen verfluchten Durchsuchungsbefehl zu kriegen?«
»Es ist Sonntag«, erinnerte ich ihn. »Waren Sie in der Kirche?«
»Ich war unterwegs, als ich den Anruf bekommen habe. Was ist mit Ihnen?«
»Saint Patrick’s. Wo ist Walsh?«, fragte ich ihn.
»Er und seine Frau sind übers Wochenende nach Norden gefahren. «
»Zum Fallschirmspringen?«
»Hoffentlich«, murmelte er vor sich hin, dann versicherte er mir: »Er ist aber erreichbar.«
Es sei denn, auf der Anruferkennung steht »John Corey«.
Wir plauderten ein paar Minuten, dann tauchte Anne Markham, Detective bei der Task Force, mit einem Durchsuchungsbefehl auf. Anne blickte sich um und sagte: »Ich will, dass dieser Schweinestall aufgeräumt wird, bevor die Spurensicherung kommt.«
Sehr komisch. Jedenfalls trafen zwei FBI-Typen vom Beweismittelsicherungsteam ein – sie wollen nicht außen vor gelassen werden –, und ein paar Minuten später kam die Spurensicherung des NYPD und schmiss alle raus.
Unten in der Lobby sagte Paresi zu mir: »Wissen Sie, John, Khalil könnte wirklich weg sein. Sie brauchen also kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Sie in Urlaub gehen.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Täuschungsmanöver ist«, erwiderte ich. »Manchmal auch Trick genannt. Und der Sinn dieses Tricks ist es, dass wir nicht mehr auf der Hut sind und die Fahndung
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