Der Löwe
stand immer noch hoch über den Gipfeln in der Ferne, und der Himmel war blau und wolkenlos. Der Morgen des 11. September 2001 war genauso prachtvoll gewesen.
Kate und ich waren getrennt zum Nordturm gefahren, und wir dachten beide, der andere wäre in dem Gebäude, und als es einstürzte, glaubte ich, sie wäre tot, und sie wiederum hielt mich für tot. Dieser Tag veränderte unser Leben, aber beruflich änderte sich für uns nichts.
Ich starrte weiter aus dem von der Sonne beschienenen Fenster. Die Welt war schön, und fünfundneunzig Prozent der Menschen waren in Ordnung. Ich habe leider den Großteil meines Lebens mit den übrigen fünf Prozent zugebracht und versucht, sie auf etwa vier Prozent zurechtzustutzen.
Mit dem Dienen und Beschützen hatte ich schon seit Jahren nicht mehr allzu viel am Hut, und für den Polizeidienst motivierte mich hauptsächlich mein Ego – ich war schlauer als jeder Killer, der die Frechheit besaß, jemanden in John Coreys Revier zu ermorden. Dann kam die Antiterror-Task Force, und meine Einstellung wurde ein bisschen patriotischer, vor allem nach 9/11. Und jetzt lief alles auf persönliche Rache hinaus, darauf, dass ich Gott bat, mir dabei zu helfen, Khalil umzubringen. Und ich war mir sicher, dass Khalil in diesem Moment Gott um den gleichen Gefallen bat.
Aber es würden nur die Gebete von einem von uns erhört werden.
13
I ch stand im leeren Warteraum und betrachtete die Uhr an der Wand. Es war über eine Stunde her, seit Kate in den OP gerollt worden war, und allmählich dachte ich, das könnte ein gutes Zeichen sein. Wie lange dauert es, bis man verblutet? Nicht sehr lange. Wie lange dauert es, eine durchtrennte Arterie zu flicken? Etwa zwei Stunden.
Mein Telefon klingelte, und ich sah die Nummer von Captain Vince Paresis Handy.
»Corey«, meldete ich mich.
»John, wie geht’s ihr?«
»Sie ist immer noch im OP.«
»Heilige Muttergottes … ich fasse es nicht. Wie geht’s Ihnen?«
»Okay.«
»Seit sich Janet bei mir gemeldet hat, hänge ich am Telefon«, sagte er und versicherte mir: »Wir werden diesen Drecksack kriegen, John.«
Ich genehmigte mir ein schmales Lächeln über diesen gängigen Kraftausdruck des NYPD. Paresi und ich hatten ein paar Probleme miteinander, aber wir kamen von den gleichen gefährlichen Straßen und erkannten einen Drecksack auf den ersten Blick.
Paresi kam gleich zur Sache. »Ich habe mir Ihren Bericht angehört, und ich habe ein paarmal mit Walsh gesprochen. Ich glaube, Walsh und ich liegen auf der gleichen Wellenlänge.«
»Das ist gut.« Captain Paresi unterstanden die der Task Force zugeteilten Detectives vom NYPD, und er war mein unmittelbarer
Vorgesetzter, während Walsh Kates Boss war und als verantwortlicher Special Agent des FBI für die ganze Chose verantwortlich war. Infolgedessen redete ich den verantwortlichen Special Agent mit »Tom« an und Paresi mit »Captain«.
Paresi fuhr fort: »Tom hat mir von Kates Handy erzählt und dass Khalil womöglich einige unserer Texte gelesen hat.«
»Richtig. Was haben Sie rausgeschickt?«, fragte ich.
»Tja … Ich habe jedem Detective bei der Task Force gesimst, dass er sich unverzüglich zum Dienst melden und mit der Observation der üblichen Orte anfangen soll, wo sich islamische Radikale bekanntermaßen treffen, einschließlich Moscheen, Schischa-Bars, Geselligkeitsclubs und so weiter, mit einem besonderen Augenmerk auf libysche Kreise.«
»Okay. Und das ging nur an die Detectives?«
»Genau. Damit Khalil es auf Kates Telefon nicht sieht.«
»Gut. Wäre nicht unbedingt sinnvoll, wenn wir dem Verdächtigen alles anvertrauen.«
»Eben. Wir warten auf die Anweisung, sämtliche üblichen Verdächtigen zur Vernehmung einzubestellen, und wir werden unsere Informanten in muslimischen Kreisen kontaktieren.«
Captain Paresi ging die üblichen Routinemaßnahmen durch. Ich kannte das natürlich alles, aber Paresi wollte, dass ich es aus seinem Mund hörte. Selbst wenn man von der Terrorismusgefahr einmal absah, war eine FBI-Agentin angegriffen worden, die zudem mit einem Cop verheiratet war. Das machte, was die Reaktion der Polizei anging, einen feinen Unterschied aus. Manchmal auch nicht so fein – wenn zum Beispiel ein paar Leute einkassiert wurden, die nicht kooperieren wollten.
Paresi bat mich um Vorschläge aufgrund meiner früheren Begegnung mit Asad Khalil, und er fragte mich, was die ATTF über Khalil wusste und mit wem er sprechen sollte.
Nun ja, mit Tom Walsh hatte er
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